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Küss mich, wenn Du kannst

Küss mich, wenn Du kannst

Titel: Küss mich, wenn Du kannst
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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nicht lebenslang mit sich herumschleppen, andererseits empfand sie keine Scham, weil sie sich hier verkroch. Sie hatte sich in einen Mann verliebt, der unfähig war, ihre Gefühle zu erwidern. Und wenn eine Frau deshalb nicht weinte, schlug kein Herz in ihrer Brust.
    Sie wandte sich vom Spiegel ab und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann schlüpfte sie in Jeans, Sneakers und einen warmen Pullover, den sie sich aus Mollys Schrank geliehen hatte, und verließ das Cottage durch die Hintertür. Endlich war das Gewitter verebbt. Als sie dem Pfad zum See folgte, bildete ihr Atem weiße Wolken in der frostigen klaren Luft. An den Sohlen ihrer Sneakers klebten feuchte welke Blätter, von den Bäumen tropfte Regenwasser auf ihren Kopf. Doch der Anblick des Sees am frühen Morgen besserte ihre Stimmung ein wenig, und es störte sie nicht, nass zu werden.
    Hierher zu flüchten, war eine gute Idee gewesen. Als erfolgreicher Geschäftsmann sah Heath in jedem Hindernis eine Herausforderung. Wenn sie nach Hause zurückkehrte, würde er ihr mit aller Macht zusetzen und ihr einzureden versuchen, sie müsse sich mit dem Platz begnügen, den er ihr in seinem Leben gewährte - hinter seinen Klienten, seinen Telefonaten und seinen zermürbenden Ambitionen. Bevor sie nicht uneinnehmbare Verteidigungsbastionen in ihrer Seele aufgebaut hatte, durfte sie nicht heimfahren.
    Vom Wasser stiegen Nebelschleier empor. Zwei schneeweiße Silberreiher pickten nahe dem Ufer im Gras. Unter dem Gewicht ihrer Trauer versuchte sie, für ein paar Minuten inneren Frieden zu finden. Vor fünf Monaten hätte sie Heaths emotionale Defizite vielleicht hingenommen. Jetzt nicht mehr, denn inzwischen wusste sie, dass sie etwas Besseres verdiente. Zum ersten Mal in ihrem Leben erkannte sie klar und deutlich, wer sie war und was sie sich von ihrer Zukunft wünschte. Die Leistungen, die sie in ihrer Agentur vollbrachte, erfüllten sie mit Stolz. Da hatte sie wirklich etwas Wunderbares aufgebaut. Noch stolzer war sie, weil sie sich weigerte, von Heath das Zweitbeste zu akzeptieren. Selbstverständlich stand es ihr zu, einen Mann offenherzig und rückhaltlos zu lieben. Dafür erwartete sie die gleiche Gegenliebe. Während sie den See hinter sich ließ, sagte sie sich, sie hätte richtig gehandelt. Vorerst war das ihr einziger Trost.
    in der Pension angekommen, konzentrierte sie sich auf die Arbeit. Die Gäste versammelten sich im Frühstücksraum, und sie schenkte Kaffee ein, servierte Körbe mit warmen Muffins, füllte die Platten auf dem Büffet nach. Manchmal gelang es ihr sogar, mit den Touristen zu scherzen. Um neun Uhr hatte sich der Raum geleert, und sie ging zum Cottage zurück. Bevor sie badete, wollte sie ein paar geschäftliche Telefonate erledigen. Ein meisterhafter Manager hatte ihr den Wert persönlicher Kontakte eingeimpft. Und ihre Klienten vertrauten ihr.
    Welch eine Ironie, wie viel sie von Heath gelernt hatte. Unter anderem, dass es sehr wichtig war, der eigenen Vision zu folgen, nicht den Ideen anderer Menschen. Perfect for You würde ihr kein Vermögen einbringen. Aber Ehen zu stiften, Menschen zusammenzuführen - dafür war sie geboren. Alle Arten von Menschen, nicht nur die Reichen, Schönen und Klugen, auch die Unbeholfenen und Unsicheren, die Verzweifelten und Unbegabten. Und Profit hin, Profit her - niemals würde sie ihre Senioren vernachlässigen. Der Job einer Heiratsvermittlerin mochte chaotisch, unberechenbar und anstrengend sein. Trotzdem liebte sie ihn.
    Sie erreichte den See und hielt inne. Den Pullover enger um die Schultern gezogen, wanderte sie aufs Pier hinaus. In Abwesenheit der Sommergäste lag tiefe Stille über dem Wasser. Erinnerungen an die Nacht, in der sie mit Heath im Sand ge- tanzt hatte, stürmten auf sie ein. Seufzend setzte sie sich ans Ende des Stegs und schlang die Arme um ihre Knie. Zweimal war sie auf seelisch gestörte Männer hereingefallen. Das würde ihr nie wieder passieren.
    Hinter ihr erklangen Schritte. Ein Tourist. Hastig presste sie ihre feuchte Wange auf ein Knie und schluckte die Tränen hinunter.
    »Hallo, Süße.«
    Ihr Kopf fuhr hoch. Sekundenlang blieb ihr Herz stehen. Er hatte sie gefunden. Das hätte sie sich denken können.
    »Gerade habe ich deine Zahnbürste benutzt«, gestand er. »Ich wollte auch eine Rasierklinge verwenden. Aber dann merkte ich, dass es kein heißes Wasser gibt.« Seine Stimme klang irgendwie rostig, als hätte er sehr lange nicht gesprochen.
    Langsam drehte
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