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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf
Autoren: Gabriella Engelmann
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mir erst gar nicht ausmalen, wie viele von den Sanierungsarbeiten, die Leos Gutachter euch eingeredet hat, vielleicht überhaupt nicht nötig sind. Vermutlich nicht eine einzige. Der hatte doch nur eins im Sinn, nämlich ein finanzielles Horrorszenario zu skizzieren, damit ihr Angst bekommt und verkauft.«
    Ich musste seine Worte erst mal auf mich wirken lassen.
    Verdammt!
    Wieso sah Marc auf einmal so wahnsinnig vertrauenerweckend aus? Als hätte er sich niemals wie der arrogante Idiot aufgespielt, der er am Anfang gewesen war, als er meine Filmrezensionen kritisiert hatte.
    »Bitte sag mir ehrlich, was das für ein Typ war, mit dem du dich neulich auf der Straße gestritten hast«, fragte ich und spürte zu meinem Entsetzen, wie zittrig meine Stimme klang.
    Würde Marc die Wahrheit sagen?
    »Das war jemand, den ich im Verdacht habe, die Drecksarbeit für Lauterbach & Söhne zu machen. Bis jetzt kann ich ihm zwar noch nichts beweisen, aber irgendwann gelingt mir das bestimmt. Und dann zeige ich das Schwein an, das schwör ich dir!«
    »Was meinst du mit Drecksarbeit?«, fragte ich, während meine Stimme sich beinahe überschlug. Etwa so etwas, wie ein Skelett auf dem Dachboden eines alten Mannes zu platzieren?
    »Wasserschäden verursachen, indem man Wände aufstemmt und Schläuche einführt, Hundekot in Briefkästen schmieren, Badezimmer zertrümmern, tote Ratten auf Fußmatten legen… eben das ganze, eklige Programm. Du glaubst doch nicht etwa, dass die Herren Lauterbach & Söhne das alles selbst machen? Nein, die lassen arbeiten und kassieren später das ganz große Geld. Und sollte einer von den harten Jungs erwischt werden, dann wandern die eben in den Knast, anstelle derer, die sie angeheuert haben. Ich habe zwar keine Ahnung, ob er auch bei der Sache mit Viola seine Finger mit im Spiel hatte – aber glaub mir, das finde ich noch heraus.«
    »Wärst du bereit, das alles auch meiner Mutter zu erzählen?«, fragte ich mit letzter Kraft und nickte der Kellnerin zu.
    Ich musste sofort nach Hause! »Sehr gern!«, sagte Marc, übernahm meine Rechnung und folgte mir nach draußen. Wir radelten eine Weile schweigend nebeneinanderher, während das Chaos in meinem Kopf drohte mich zu überwältigen. Zu Hause angekommen, mussten wir auf Verena warten, weil ich vergessen hatte, dass ihr Donnerstags-Seminar bis kurz nach sieben dauerte. Also bot ich Marc etwas zu trinken an und wir setzten uns auf den Balkon, gefolgt von Martini, die ihren Kopf an Marcs Hosenbein rieb und dabei selig schnurrte. »Das hat sie nicht gemacht, als du das letzte Mal da warst«, kommentierte ich ihr Verhalten. »Du kannst scheinbar wirklich gut mit Tieren umgehen. Führst du eigentlich immer noch die drei Hunde aus?«
    Marc nickte. »Ja, mache ich. Und ja, ich mag Tiere. Ich bin auf einem Bauernhof in der Nähe von Eutin aufgewachsen und manchmal vermisse ich es, Tiere und Natur um mich zu haben. Das Stadtleben mit den ganzen Autos, dem Lärm, der Hektik und der schlechten Luft… das ist nach wie vor nicht so mein Fall.« Ich nickte. »Ich weiß, was du meinst. Wenn ich meine Großmutter nicht regelmäßig besuchen könnte, würde mir auch irgendwann die Decke auf den Kopf fallen. Aber wieso bist du dann nach Hamburg gezogen? Weil du so gerne an der Henri-Nannen-Schule studieren willst?« Marc schüttelte den Kopf. »Das war nicht der Grund. Meine Eltern haben sich getrennt und ich bin zusammen mit meiner Mutter hergekommen. Das Landleben und die schwere Arbeit auf dem Hof waren von Anfang an nichts für sie. Sie hat es damals nur aus Liebe zu meinem Vater gemacht und dabei offenbar unterschätzt, was das wirklich bedeutet. Als der Wechsel aufs Gymnasium anstand, hat sie die Gelegenheit genutzt, um wieder hierher zurückzukehren.«
    »Das klingt ja ganz ähnlich wie bei mir«, antwortete ich nachdenklich und wie aufs Stichwort stand plötzlich Verena in der Balkontür. »Nanu? Du hast ja Besuch«, sagte sie und schaute Marc irritiert an. Nachdem ich die beiden miteinander bekannt gemacht und erwähnt hatte, dass Marc ihr unbedingt etwas Wichtiges über die Firma Lauterbach erzählen musste, setzte sie sich zu uns. »Na, dann schieß mal los«, entgegnete sie verwundert und ließ sich geduldig die ganze Geschichte erklären. Zwischendurch runzelte sie immer wieder die Stirn. Aber das war auch schon die einzige Gefühlsregung, die ich bei ihr erkennen konnte, während ich immer noch glaubte, vor Wut und Enttäuschung gleich platzen zu
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