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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf
Autoren: Gabriella Engelmann
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wirkte wie immer ein bisschen zerstreut. »Was heißt, du denkst? Wann hast du denn zuletzt mit ihr gesprochen?« Meine Mutter schloss die Augen, als bereitete es ihr große Mühe, sich zu konzentrieren. Vermutlich war sie in Gedanken schon wieder bei der Vorbereitung ihres nächsten Seminars oder der Korrektur einer Masterarbeit. »Na, dann rufe ich sie am besten gleich mal an, damit sie weiß, dass ich wieder zu Hause bin«, erklärte ich, schnappte mir das Telefon und setzte mich im Lotussitz aufs Bett. (In Frankreich hatte ich mit Marlène zusammen Yoga gemacht.) Noch bevor ich Theodoras Namen im Display aufrufen konnte, klingelte es – Tinka. »Hey, wie geht’s dir?«, plapperte meine Freundin fröhlich los. »Die Girls wollen wissen, ob wir heute Abend Sushi essen gehen.«
    »Heute ist Donnerstag, was glaubst du also, wie meine Antwort lautet?«, fragte ich grinsend, während sich ein warmes Gefühl in meinem Bauch ausbreitete. So gern ich auch bei meinem Vater war, die Maki-Girls hatten mir schon sehr gefehlt. Und ganz besonders Tinka, meine elfengleiche beste Freundin, die ich manchmal spaßeshalber Tinkabell nannte.
    »Also, wie immer um acht Uhr.«
    Nachdem wir noch einen Moment gequatscht hatten, verabschiedete ich mich von Tinka und rief Theodora an. Sie meldete sich mit »Wer stört?«, was mich wie immer zum Lachen brachte. »Ich bin’s, Pippa, ich bin wieder da«, begrüßte ich meine über alles geliebte Großmutter und träumte mich in Gedanken in ihr kuscheliges Waldhaus.
    »Ach, das Fräulein Enkeltochter. Schön, dass du dich auch mal meldest.«
    »Ist es okay, wenn ich am Wochenende vorbeikomme?«, fragte ich. Ich wusste ganz genau, dass Oma nicht sauer auf mich war, sondern mich nur ein bisschen auf den Arm nehmen wollte. Sie tat öfter mal streng, auch wenn jeder, der ihr nahestand, wusste, dass sie ein Herz aus geschmolzener Butter hatte. »Dann werde ich wohl einen Kuchen backen müssen«, grummelte Theodora. »Und das auf meine alten Tage. Kind, du weißt doch, wie sehr mich das alles anstrengt.« Auch das war ein Running Gag zwischen uns beiden. Theodora spielte häufig die humpelnde Buckel-Hexe und tat so, als könne sie ohne Brille gar nicht erkennen, wer da vor ihrer Tür stand. Dabei war sie - bis auf eine gelegentliche Kreislaufschwäche - in Wahrheit fit wie der berühmte Turnschuh. Zumindest steckte sie in Sachen Kondition locker meine Mutter in die Tasche, die andauernd nur las, anstatt Sport zu treiben. »Also dann bis Samstag gegen drei«, verabschiedete ich mich.
    »Oma scheint es gut zu gehen«, verkündete ich, als ich in die Küche kam, wo meine Mutter gerade Tomate mit Mozzarella und Basilikum zubereitete. Ich war froh, dass sie nicht versucht hatte, zur Feier des Tages etwas Besonderes zu kochen, denn das ging erfahrungsgemäß meistens daneben.
    »Chérie, erzlisch willkommen in Amburg«, zwitscherte Lula und fiel mir als Erste um den Hals. »Lass doch dieses alberne Pseudo-Französisch«, konterte Jenny, rollte mit den Augen und umarmte mich ebenfalls. Danach war Tinka an der Reihe. Sie umschlang mich so fest, dass mir beinahe die Luft wegblieb. Und wie gut sie duftete. So ganz nach Tinkabell-ultralecker.
    »Ihr tut ja gerade so, als wäre ich mindestens ein Jahr weg gewesen«, sagte ich lachend und setzte mich neben sie. Nachdem Takumi, der Besitzer der Sushi-Bar, die Bestellung entgegengenommen hatte, quasselten die drei so wild durcheinander, dass ich Mühe hatte zu begreifen, worum es ging. »Bitte der Reihe nach. Ich verstehe sonst KEIN Wort«, protestierte ich.
    »Okay, ich fasse kurz die Ereignisse der letzten zehn Tage für dich zusammen«, übernahm Tinka die Regie. »Diese Dame hier (Daumen Richtung Jenny) hatte keine gute Zeit, weil ihre Inline-Skaterhockey-Ladys gerade einen schlechten Lauf haben. Außerdem mobbt so ne blöde Neue unsere Süße.« Jenny schaute drein, als hätte das Gesagte nicht das Geringste mit ihr zu tun und als könne ihrem breiten Kreuz nichts und niemand etwas anhaben. Nur ein kleines Flackern in ihren goldbraunen Augen verriet, dass die coole Jenny mit dem praktischen Kurzhaarschnitt ganz anders fühlte.
    »Und ich bin verliiiiiiiiiebt«, mischte sich Lula ein, offenbar außerstande, auch nur eine Sekunde länger mit ihren Neuigkeiten hinterm Berg zu halten. Das Paar am Nebentisch beendete abrupt das Gespräch und beobachtete Lula neugierig. »Wie hast du es bloß geschafft, das bislang NICHT auf Facebook zu posten?«, fragte ich
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