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Küss den Wolf

Küss den Wolf

Titel: Küss den Wolf
Autoren: Gabriella Engelmann
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auf den WG-Kumpel ihres Cousins stand, auch wenn sie das selbst natürlich niemals zugegeben hätte. Der angesagte DJ war nämlich ein Prototyp des BAD BOY , von dem viele Mädchen zwar magisch angezogen werden, aber besser die Finger lassen sollten. »Und wer ist dieser Leo, der nachher noch kommt?«, fragte Tinka weiter, nachdem auch sie die beiden anderen Gäste begrüßt hatte. »Ich kenne ihn durch die Agentur«, erklärte Julius und fegte ein Magazin von einem der klapprigen Holzstühle, die um den Küchentisch standen. »Sein Dad hat mal eine Kampagne bei uns in Auftrag gegeben und seitdem ziehen wir manchmal gemeinsam um die Häuser. Ihr werdet ihn mögen, versprochen!« Kurze Zeit später war es so weit: Leo Goldmann klingelte an der Tür, überreichte Guido zwei Flaschen gut gekühlten Weißwein und grüßte in die Runde.
    Ich war unfähig, seinen Gruß zu erwidern, weil ich es kaum fassen konnte: Der Typ sah aus wie eine junge Ausgabe von Russel Crowe.

4.
    Dienstag, 21. März
    »Was ist denn mit dir passiert?«, wollte Lula wissen, als wir uns am nächsten Morgen kurz vor Unterrichtsbeginn am Fahrradständer trafen. »Wieso?«, fragte ich irritiert und fummelte an meinem Schloss herum, während der Rucksack mir jeden Moment von der Schulter zu rutschen und auf meine Füße zu fallen drohte. »Deine Haare sehen aus, als hätten Krähen darin genistet, und du trägst zwar Kajal, aber keine Wimperntusche. Du hast da übrigens WIRKLICH was«, fügte sie dann hinzu und rupfte eine Feder aus meinem Haar, das nur notdürftig zusammengewurschtelt war. Heute Morgen hatte die Zeit nur knapp für eine Dusche gereicht. »Merkwürdig!«, murmelte ich und betrachtete kopfschüttelnd die weiße Feder, die Lula mir demonstrativ entgegenhielt. Hatte ein Vogel sie fallen gelassen, als ich zur Schule geradelt war, oder was war passiert? »Kein Grund zur Panik, die stammt garantiert aus deinem Kopfkissen«, erklärte Jenny fachmännisch und hakte mich unter. »Aber du solltest dir entweder den Kajal abwischen oder noch Mascara draufpinseln, denn so siehst du wirklich ein bisschen seltsam aus, da muss ich Lula recht geben.« Verlegen postierte ich mich kurze Zeit später vor dem Spiegel der Schülertoilette. Zum zweiten Mal an diesem Tag wusch ich mir das Gesicht und wischte so gut es ging die Kajalspuren ab. Dann betrachtete ich mich und wusste endlich, was Lula gemeint hatte: Abgesehen davon, dass ich ein bisschen durch den Wind war und mein Styling zu wünschen übrig ließ, waren meine hellbraunen Augen heute eine Spur dunkler als sonst. In ihnen spiegelte sich am äußeren Rand der Pupille das Bild eines Menschen: das Bild von Leo.
    Irritiert wich ich einen Schritt zurück und klimperte einige Male mit den Lidern. Genau in diesem Moment läutete die Glocke.
    Als der quälend lange Schultag endlich zu Ende war, radelte ich voller Vorfreude Richtung Abaton. Das Programmkino lag in unmittelbarer Nähe des Campus und war einer meiner Lieblingsorte in der Stadt. Seit einem Jahr jobbte ich hier regelmäßig als Kartenabreißerin und hin und wieder an der Kasse, wenn viel Betrieb war.
    »Hey, Pippa, schön, dass du wieder da bist«, freute sich meine Lieblingskollegin Amélie.
    »Habe ich viel verpasst, während ich in Frankreich war?«, fragte ich, warf meinen Rucksack in die Ecke des Kassenhäuschens und wunderte mich mal wieder, wie es sein konnte, dass sie ihrer Namensvetterin aus dem Film Die fabelhafte Welt der Amélie so ähnlich sah.
    »Zwei Premieren, Signierstunden und eine Buchpräsentation«, antwortete sie schulterzuckend. Für sie war das der normale Kinoalltag, für mich hingegen eine magische Wunderwelt, in die ich es kaum erwarten konnte, wieder einzutauchen. Zuerst einmal studierte ich die neuen Filmplakate und ging dann ins Foyer, um die Tickets all derer durchzureißen, die sich die Nachmittagsvorstellung ansehen wollten. Was wohl Leos Lieblingsfilm war?
    Wir hatten gestern Abend kaum Gelegenheit gehabt, uns intensiver zu unterhalten, aber ich hatte mitbekommen, dass auch er gern ins Kino ging. »Ich will ja nicht meckern, aber du hast diese Karte schon mal durchgerissen«, holte eine helle Stimme mich aus dem Erinnerungsnebel des vergangenen Abends. Als ich aufschaute, sah ich in ein Paar schräg stehende dunkle Augen, die zu einem ungefähr achtzehnjährigen Mädchen namens Leilani gehörten. Sie kam häufig ins Abaton. »Tut mir leid«, antwortete ich und gab ihr die zerfledderte Karte zurück. »Viel
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