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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen
Autoren: Heinrich Mann
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schaden!" Sie lachte schrill auf, bevor sie weinte. Sie weinte, am Boden zusammengebrochen. Er war es jetzt, der hin und her ging, die Stirn in Falten, tief aufgewühlt. Unvermutet hörte er sie sprechen, eine Stimme wie ein Kind. „Ich will dein Unglück nicht", sagte sie, ach, so demütig, vom Boden her. „Wenn denn ich dein Unglück war. Ich willige in alles, du bist frei." Das verlassene Kind, das dort lag, weinte. ,Aufgepaßt!' sagte der Mann sich. ,Die Tränenszene, dritter Akt. Wer sich fangen läßt, verliert.' Er verschränkte die Arme.
    Als nichts von ihm kam, stand sie geduldig auf. Indes sie sich glatt strich: „Ich sehe ein, es war ein Fehler, daß ich hier bei dir das Gift nehmen wollte. Eine bekannte

    Schauspielerin, auf deinem Teppich tot; es hätte dir geschadet. Verzeih!" Ironie, trotz leise lockendem Blick. Er ward noch unzufriedener anzusehen. „Es wäre mir nirgend angenehm, meine Liebe. Weder auf dem Teppich noch sonstwo."
    „Das kann ich verstehen", sagte sie. Die Ironie erklärte sich, hoch dramatisch. „Aber ich weiß doch nicht, ob du um den Polizeibericht herumkommen wirst." Sie war zum Gehen fertig.
    Er stürzte ihr nach, er hielt sie an beiden Handgelenken fest. „Du spielst heute abend? Versprich mir, daß du spielst!"
    „Bist du um die Direktion so sehr besorgt?" fragte sie. „Es wird dich auf andere Gedanken bringen", verriet er. „Jedenfalls ist Zeit gewonnen. Versprich es!" „Ich habe schon versprochen, folgsam zu sein", sagte sie vollkommen sanft und ergeben. Aber ihr Blick wich ihm aus, verloren und arm. Seine Unruhe wuchs ins unerträgliche, er brach aus: „Auf dich war niemals Verlaß!"
    „Ich dachte, heute könnte ich es von dir sagen", erwiderte sie sanft und undurchdringlich. „Liebst du mich nicht mehr?" rief er in seiner Verzweiflung.
    „Wenn du mir nur erlaubtest, es dir zu beweisen!" Tragischer Blick.
    „Ich begleite dich", bestimmte Viktor. „Ich gehe bis in die Garderobe mit dir. Ich lasse kein Auge von dir." „Dann könnte es nur noch auf der Bühne geschehen", murmelte Lea.
    II

    Er gelangte verspätet auf seinen Parkettplatz. Bis zu ihrem Auftreten hatte er sie nicht allein gelassen. Er überlegte unaufhörlich: „Wird sie heute abend jubeln können?" Denn sie hatte zu jubeln in dem Stück, soviel wußte er. „Ihr glaubt doch nicht, es ginge ohne mich?" Den Aufschrei hatte sie ihm letzthin mehrmals vorgemacht. Ein heiteres Stück also wahrscheinlich. Wie würde sie das machen heute abend?
    Das Stück erwies sich eher als frivol. Leider schon wieder ein Dirnenstück. Frivol und etwas melancholisch war der Auftakt, und sogleich hatte die Heldin ihren stürmischen Abschied von dem Liebhaber Nummer eins. Er hatte sie geliebt, gequält, betrogen und wieder von vorn. Sie hatte gelitten, sich gerächt, ihn zurückgeholt und mehrmals abgestoßen. Nun war es zu Ende. Sie blieb allein, zerbrochen, verzweifelt, mit Bitternis getränkt bis in den Tod. Schritte. Sie wollte fort; ihr winkte nur der Tod.
    Statt seiner erschien der Liebhaber zwei, ein sanfter, junger Kavalier, der sie zu lieben gedachte. Er kam mit Seelentiefen und suchte etwas Besonderes an diesem Treffpunkt der Lebewelt. Nach einigen begreiflichen Nieten fand er es nun. Sie war immerhin bereit, noch ein wenig sich aufhalten zu lassen vor ihrem letzten Gang: bereit aus Müdigkeit und weil es eins war, so sah der ungetreue Geliebte im Parkett.
    Wie begegnete sie denn aber der Werbung des zweiten, das abgebrühte, schwerelose Geschöpf? Am Rande des Diwans sagte er ihr, indes hinten die Kameraden soupierten, seine Seeienwünsche, und sie lag. Geschwungene Linie, lang und schmal im buntschillernden Futteral der Robe, leicht erhöht die Knie, den Kopf über das Polster hinweggesenkt, sie war ganz Liegen, das ungenützle Daliegen. Die nackte Schulter glänzte ins Leere, vergebens hing der nackte, starke Arm herab. Warum nicht? Sie konnte durchaus eingehen auf die Marotte des Herrn, der Treue suchte und Sanftmut versprach. Entschluß, sie küßte. Das allzu goldene Lockengebäude an ihrem rückwärts gesenkten Kopf war erschüttert, die Reiherfedern wippten, zu seinen Lippen hob sie das Gesicht. Allzu weiß, mit groben Bühnenzügen und dem schwarzen Strich der geschlossenen Wimpern malte es den Kuß. Diese Lippen wollten Verlobung vortäuschen? Versprechungen des Lebens küssen? Eine Totenmaske sog sich wild an, knapp vor dem Sterben. Feiern den Eintritt in die neue Liebe! Dahinten brachen sie auf.
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