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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen
Autoren: Heinrich Mann
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großen und edlen Taten mehr vollbringen, ihr wertloser Charakter vermag die Zeit nicht zu verändern, denn sie sind unfähig zur Tat. Wie am „Professor Unrat", so erweist sich auch an der Figur des „Pippo Spano" — in dessen wirren Worten die Begriffe Nietzsches spuken —, daß Heinrich Mann die Auseinandersetzung mit geistigen Problemen auf dem Boden kritischer gesellschaftlicher Beobachtungen vollzieht und mit scharfer gezielter Ironie nicht spart.
    Die hier ausgewählten Novellen umfassen einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren, von 1894 bis 1926. Vergleicht man „Pippo Spano" mit der Novelle vom Löwen, das „Stelldichein" mit den „Roten Schuhen", ist leicht zu erkennen, wie der Dichter Handlungen und Personen seiner Novellen von dem erreichten Punkt seiner Lebenserfahrung und künstlerischen Reife neu überschaut und verändert. Im „Löwen"-wir möchten vermuten, daß es eine jener frühen Geschichten ist, deren Niederschrift dem Dichter ganz ungetrübte Freude bereiteten - ist der Standort noch das interessant-lustige Fabulieren aus der Welt des kleinen Wanderzirkus, wie ihn der junge Heinrich Mann gesehen haben mag, als er mit dem Vater, dem Lübecker Senator und Getreidegroßkaufmann, die Dörfer der Umgebung besuchte. Hier ist noch alles Turbulenz und Sensation: DieTierbändigerin wird vom Löwen gefressen. Dieses Ereignis, das „gewiß zu den größten Seltenheiten gehört", ist keineswegs gesellschaftlich akzentuiert, doch realistisch insofern, als es sich in der Sphäre des wirklichen Lebens abspielt.
    Trotz des schrecklichen Endes hat diese Erzählung etwas Liebenswürdiges. In freundlich leuchtenden Farben erscheinen wie in einem Bilderbuch der Großbauer Prahl, der Sergeant, die große Frieda mit ihrem Löwen und die Bauersfrauen in ihren „unendlich weiten, eigengemachten Faltenröcken". Wie Heinrich Mann das Milieu und die Ereignisse um den Löwen exakt beschreibt, beweist seinen interessiert-nüchternen Blick für die Vorgänge seiner Umwelt, jenen Blick für die Realitäten, der den Dichter in der Sphäre des Politischen zu tiefgehenden Erkenntnissen gelangen ließ.
    Ganz anders sind Anlage und Aussage der „Roten Schuhe* aus dem Jahre 1926, die unsere Auswahl zeitlich abschließen. Alle Betrachtungen über Kunst und Leben in der hektischen Atmosphäre der zwanziger Jahre im Nachkriegsdeutschland fließen nier zusammen. Dieses Thema läßt sich jetzt nicht mehr in die eigentliche Form der Novelle zwingen; die „Schuhe" sind ein Fragment, aber ein Fragment mit einer tiefen Wahrheit. Als die Geschwister nach zwei Jahren wieder zusammenkommen, haben sie nichts gewonnen außer der Einsicht, daß der bloße Wunsch, Kunst zu machen und nichts zu sein, nichts zu haben außer einem unerprobten Talent, scheitern muß. Geblieben ist ihnen nur die ängstliche Erinnerung an ein Märchen ihrer Kinderzeit von den roten Schuhen, die mit ihrem Besitzer immer weiter tanzen, immer weiter, „ob man will oder nicht". Das ist - auf knappstem Raum und in künstlerisch wahren Bildern - die Aburteilung des bürgerlichen Kunstbetriebes mit seiner Ausweglosigkeit. Die Verbindung von Kunst und Geschäft in der kapitalistischen Gesellschaft, ihr Zerfall und Niedergang bedeuten jedoch keineswegs resignierenden Verzicht Heinrich Manns auf das Thema „Kunst und Leben", von dem er wußte, daß es im spätbürgerlichen Lebensmilieu immer dissonant bleiben muß.
    Für seine Konzeption vom Weg der Kunst steht wohl am beredtesten der Satz, den er in späteren Jahren für einen ihrer Zweige, die Literatur, schrieb: „Die Literatur, ob sie will oder nicht, ist im Begriff, sozialistisch zu werden. Warum? Weil außerhalb der sozialistischen Welt keine Literatur mehr bestehen kann. Die Literatur geht unweigerlich zu den Arbeitern, weil bei ihnen die Menschlichkeit geachtet, die Kultur verteidigt wird." Diesen entscheidenden Gedanken, daß die Kunst, die in der spätbürgerlichen Gesellschaft zerfällt, einen beglückend neuen Wirkungsbereich finden wird, ist die logische Folgerichtigkeit im Denken und Wirken Heinrich Manns. Der große Kritiker des wilhelminisch-imperialistischen Deutschlands legte einen weiten Weg zurück, ehe er mit dieser klaren Bestimmtheit und optimistischen Gewißheit dieses Wort aussprach. Aus dem jugendlich unbeschwerten Dichter, der sich lange Jahre im sonnigen Italien zu Hause fühlte - die Einflüsse gerade dieses Landes finden sich auch in den Künstlernovellen -, wurde der tätige
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