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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen
Autoren: Heinrich Mann
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„Also wir treffen uns, wenn wir unsern Weg gemacht haben. Wie lange, glaubst du, brauchen wir? Ein Jahr?" Vier Wochen sagte er schon nicht mehr. Die Schwester, noch gewitzter, sagte: „Es kommt darauf an. Wollen wir aus dem Ärgsten heraus sein und die Ellenbogen frei haben? Dann sagen wir zwei Jahre ... Wenn es reicht." „Es reicht."
    Er war denn doch der Stärkere; er kürzte auch den Abschied ab. Zuversichtlich schüttelten sie einander die Hand.

II
    Bei seiner Ankunft in Berlin wollte ihm ein junger Mann durchaus den Koffer tragen, und kaum hatte er den Koffer, lief er davon. Die Straße war schlecht beleuchtet, aber durchaus nicht menschenleer. Trotzdem ward der Beraubte mit Gewalt verhindert, nachzulaufen. Von den Helfern des Räubers schlug Berthold den einen nieder, der andere riß aus. Der Daliegende hielt in auffallender Weise seine Rocktasche fest, was Berthold veranlaßte, die Brieftasche daraus zu entnehmen. „Mir haben die Kerls mein ganzes Gepäck gestohlen", sagte er, im Vollgefühl seines Rechtes, zu den Umstehenden, die nichts dagegen einwandten.
    In der Brieftasche fanden sich Devisen, welch guter Anfang! Berthold ging zum Essen in ein besseres Lokal. Die Dame am Nebentisch zog ihn an und erwies sich als nicht unzugänglich. Sie schien unabhängig und gut gestellt, sie sprach von ihrem vornehmen Klub. Auf ihre Frage nach seinen Geschäften gestand er, er habe gute gemacht. Als es Zeit war, nahm sie ihn mit in den Klub. Im Auto küßten sie sich. Der junge Mann verlangte stürmisch nach einem ungestörten Stündchen. Aber sie vertröstete ihn auf den Klub, wo für alles gesorgt sei. Der Klub machte wirklich einen ausgezeichneten Eindruck, gleich im Vorzimmer roter Samt. In den vorderen Zimmern saßen nurWachen, die ganze Gesellschaft war rückwärts am Spieltisch. Meist Damen, aber nicht ganz junge. Berthold kam zwischen eine dicke und eine dünne; sie schoben ihm Geld hin, damit er für sie setze, es werde ihnen Glück bringen. Es brachte aber nur der Dünnen Glück. Die Dicke verschwand, um so näher rückte die Dünne.
    Sie hatte Narben unter der Schminke, dagegen kamen die vielen Perlen nicht auf, Berthold erschauerte. Um nur ihr Flüstern nicht zu hören, denn sie flüsterte von einem Souper in abgelegenen Räumen, spielte er weiter mit ihrem gewonnenen Geld, bis alles fort war. Sie erwachte aus ihrem Rausch und forderte Ersatz. Er denke nicht daran, sagte Berthold, darauf Geschrei. Alles half der Dame gegen Berthold, mehrere Herren mit riesigen Fäusten versperrten ihm den Abgang, und als er sie überrannt hatte, erklärte die Dame, die den Schlüssel hatte, sie werde nicht öffnen. Es war seine gute Bekannte aus der Gaststätte, auch sie seine Feindin! Die Enttäuschung machte, daß er, wie ein Kind, alles hergab, seine ganzen Devisen. Nur fort!
    Jetzt ging er selbst Gepäck tragen auf dem Bahnhof und lief davon mit dem ersten Koffer. An der Ecke stieß er mit dem zusammen, der ihm seinen eigenen geraubt hatte. Er zeigte Berthold ein Versteck und bezahlte ihm die Ware.
    Tags darauf ging der Neuling im Erwerbsleben zu Methoden über, die mehr seiner Erziehung entsprachen. Auf kühne Art erlangte er eine Empfehlung, trat als Lehrling in eine Bank ein und behielt einfach die Börsenwerte, die er auszutragen hatte, einige Stunden für sich. Das genügte, um gut zu verdienen. Nach vier Wochen besaß er ein Auto. „Also doch nur vier Wochen!" dachte er. Es seiner Schwester zu melden, reichte die Zeit nicht; denn wieder vier Wochen, und das Auto war gepfändet. Er besaß noch mehrmals ein Auto im Verlaufe des Jahres. Einmal konnte er Generaldirektor werden, und einmal wollte er in den Kanal springen. Im zweiten Jahre verschwand er für sechs Monate aus dem Verkehr. Durch langes Nachdenken belehrt, baute er nun, anstatt auf eigene Wagnisse, auf die anderen. Das hielt er für weniger verantwortlich.
    Eine Agentur fiel ihm auf, die übermäßige Gewinne versprach und oft sogar auszahlte. Er beobachtete sie. Einen bescheidenen, strebsamen Juden, der dort saß und schrieb, lud er zum Essen ein und fragte ihn, ob er mit seinem Geld mitgehe bei den Geschäften der Firma. Mit seinem angeborenen Lächeln des Zweifels sagte Elias: „Wenn Sie von der Konkurrenz sind, was wollen Sie wissen und wieviel bieten Sie?"
    „Ich habe die Weisung, die Dinge aufzuklären", sagte Berthold und preßte die Lippen aufeinander - worauf Elias erblaßte und ihn Herr Polizeirat nannte. Er machte Berthold mit dem
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