Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
Wissen in dem Nicken, das ganze Ende in der Wendung. Sie hatte nicht glaubwürdig gejauchzt heute, aber ihr stummes „Dann nicht" war restlos gekommen.
    Geklatscht wurde mit vereinzelter Heftigkeit, im ganzen aber mäßig. Diesen letzten Enthüllungen widerstrebte der gesunde Sinn. Was für das Herz war, schien vorüber; der erste Akt hatte beinahe im Freudenhaus gespielt. Die Damen fühlten sich tief getroffen von den Toiletten der Heldin.

III
    Der Liebende war vor allen anderen draußen. Schon vor der Schauspielerin, die sich noch verneigte, war er in ihrer Garderobe. Sie fiel erschöpft auf den Stuhl und sagte: „Du hattest recht, es tut gut." Er schluckte hinunter. „Lea", sagte er, „ich heirate nicht mehr."
    „Das ist mein größter Erfolg", rief sie. „Aber du mußt heiraten, Lieber. Denn jetzt bin ich mit dir fertig. Wie froh bin ich!" sagte sie traurig, aber nur wie Erinnerung der Schmerzen. Ihm ward es kalt.
    „Was ist das? Ich sagte doch, daß ich dir alles opfere!" „Genug!" sagte sie stark. „Und das nächste Mal? Soll ich, wenn du mich das nächste Mal verrätst, wieder spielen müssen wie heute - und dich vielleicht auch damit nicht mehr halten können? Und mich nicht mehr von dir befreien können? Heute habe ich mich befreit. Bin fein heraus. Ah! Lieber! Jetzt leide du!" Während er wankte und mit mutlosen Händen noch flehen wollte, rief sie: „Umzug, dritter Akt! Sie müssen hinausgehen."
    DIE ROTEN SCHUHE
    Beide Geschwister waren nur mit Mühe zu Hause zu halten. Was ist mit großen, ausgewachsenen Menschen zu tun, die weder die Schule beenden, noch einen bürgerlichen Beruf wählen, noch etwa heiraten wollen? Drohungen der Eltern bewirken höchstens, daß sie durch-gehn. Grade wird der Sohn noch aufgefangen. „Wir haben euch nicht nötig. Ich bringe mich allein durch. In vier Wochen bin ich gemacht - wie heute jeder Jugendliche, der es richtig anfaßt, womöglich anständig, sonst anders. Vorurteile ausgeschlossen. Wir haben neue Erlebnisse, ein neues Weltbild. Was wißt ihr von unseren geistigen Voraussetzungen!"
    Ob er denn sogar für seine Schwester die Verantwortung tragen wolle, fragten die schwergeprüften Eltern. „Dann hole ich auch sie ab - gerade weil ich für ihre seelischen Rechte hafte, übrigens, sie mit ihrem Talent braucht euch erst recht nicht."
    Denn Berthold war mit dem dramatischen Talent Luises vollauf vertraut. Was er nicht kannte, waren nur ihre Beziehungen zu seinem Schulfreund Max. Eines Abends, er war wieder einmal zum Durchgehn fertig und wollte von ihr Abschied nehmen: - in der Tür fuhr er zurück. Wut verzerrte sein Gesicht so ungeheuerlich, daß die Schwester, schon bereit, gegen ihn vorzugehen, ergriffen stillhielt. Der Bruder stellte an den Freund eine unvorhergesehene Frage: „Denkst du, Luise zu heiraten?"

    Das Liebespaar sah sich erstaunt an. Worauf Max: „Ich befinde mich in vollster Übereinstimmung mit Luise, wenn ich nein sage." Da ward Berthold stürmisch. Sie erkannten den Verächter bürgerlicher Sitte nicht wieder. „Und du willst durchgehn? Wir haben doch einfach dasselbe vor." Es sei nicht dasselbe, sagte Berthold. Zuletzt entschied Max: „Es ist vorzuziehen, daß ich gehe. Mit deiner Schwester verständigst du dich dann restlos." Berthold ließ ihn fort, dann riet er Luise: „Lauf ihm nach! Bevor der Feigling um die Ecke ist. Den siehst du nicht wieder."
    Sie erwiderte: „Ich bin keine Verlassene. Ich will mit ihm zum Theater." Aber sie war bleich und hielt sich am Tisch fest. „Der Verrat stand ihm auf der Stirn", sagte der Bruder noch, und sie schwieg dazu. Dann gestand sie: „Ich habe letzthin so viel erfahren, daß selbst die vollsten Häuser von mir noch werden lernen können." Sie stand ausdrucksvoll gereckt; das weiße Gesicht, die roten Lippen verkündeten von oben ihren Schmerz und ihren Mut. Dem Bruder blieb der Mund offen.
    „Verzeih!" sagte er unsicher. „Ich muß mich an den Tatbestand erst gewöhnen. Also mit Gott! Und auf Wiedersehen, wer weiß wo."
    Sie fragte: „Mußt du durchaus bös sein, weil du jetzt wieder als kleiner Junge dastehst?" Sie fühlte, er hätte lieber gehorsam wie ein Kleiner gesprochen. Damit er sich nicht mehr schämen solle, beugte sie sich ihm in den Nacken, ließ den Arm, um ihn zärtlicher zu stimmen, über seine Schulter hängen und murmelte: „Wir treffen uns wieder. Was wir dann wohl geworden sind! Wollen wir uns verabreden?"
    „Deshalb bin ich hergekommen", sagte er dankbar.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher