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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten
Autoren: Jutta Profijt
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hier waren, fühlten wir uns auch von dem Rauswurf nicht angesprochen. Wir blieben, wo wir waren. Ich erklärte kurz, was dort unten gerade passiert war, denn ich hatte das schon häufig genug mitgemacht, als Martin auf der Intensivstation lag. Damals war ich noch nicht lange tot gewesen und hatte daher kaum Übung im Umgang mit mir selbst und keine Ahnung von Physik. Die hatte ich mir erst später angeeignet, um herauszufinden, welche Möglichkeiten ein elektromagnetisches Geistwesen hat. Um es kurz zu machen: verdammt wenige.
    Unter uns wurden die Geräte aus- und wieder eingeschaltet, der Herzschlag manuell gemessen und mit den Anzeigen der Geräte verglichen. Das Gleiche mit dem Blutdruck. Ein Techniker kam und klemmte Niclas’ Gerät ab, nahm es aus der Halterung, brachte ein neues Gerät an undüberließ das Einstellen der Schwester und dem Arzt. Endlich klangen wieder zwei gleichmäßige Pieptöne durch das stille Zimmer.
     
    »Puh«, machte Jo endlich. »Mensch, Niclas, mach das bloß nicht noch mal.«
    »Ich wollte meiner Mama doch nur sagen, dass ich sie höre«, jammerte Niclas.
    »Ja«, flüsterte Edi. »Kann ich verstehen.«
    Lieber Parkplatzwächter, was für ein Gefühlsbrei. Ich musste die vier unbedingt beschäftigen, damit sie nicht gleich wieder wie Heulsusen um mich herumschwirrten oder weitere Katastrophen auslösten.
    »Wir haben Arbeit, Mädels«, sagte ich.
    »Ich bin das einzige Mädchen«, korrigierte Edi mich.
    »Wenn die Jungs sich wie Mädels aufführen, werden sie auch so behandelt«, konterte ich.
    Edi kicherte, Bülent schmollte und Niclas begann gleich wieder zu heulen.
    Jo verdrehte die Augen. »Was für Arbeit?«, fragte er.
    »Ihr zeigt mir jetzt eure Schule und dann   …« Weiter wusste ich selbst noch nicht, das würde sich wohl ergeben müssen.
     
    Wir düsten gemeinsam durch den eiskalten Nieselregen, der uns eigentlich nichts ausmacht. Aber auch Geist sein ist bei blauem Himmel einfach geiler.
    »Hier ist es.«
    Jo und Edi hatten die Führung übernommen und hielten über einem leeren Schulhof an. Grundschulen und Kindergärten erkennt man immer an den beklebten Fenstern. Kindergärten sind meistens eingeschossig und haben nicht so lange Namen. Mathilde-Franziska-Anneke-Städtische-Grundschule stand auf einem Schild vor dem Schulhof.
    »Was ist das denn für ein bekloppter Name?«, fragte ich.
    »Mathilde Franziska Anneke war eine ganz mutige Frau, die für die Gleichberechtigung war und eine Schule gegründet hat. Sie hat in Köln gelebt und es gibt eine Figur von ihr am Rathausturm. Die ist aber so hoch oben, dass man sie nicht richtig erkennen kann.«
    Aha, unsere Edipedia hat gesprochen. Trotzdem bescheuert, ein Schulname mit vier Bindestrichen.
    Die Schule selbst sah gar nicht so übel aus, wie der Name erwarten lassen würde   – bis auf den ganzen Müll, der an den Scheiben hing. Komische Angewohnheit, das Zeug, das der Hausmeister auf dem Schulhof zusammenfegt, an die Fenster zu kleben. Ob das heutzutage zur Umwelterziehung gehörte?
    »Das ist die Herbstdekoration«, erklärte Edi. »Buntes Laub und Eicheln und   …«
    Vollgeschissene Vogelnester, gerupfte Federn von längst verspeisten Singvögeln, Stöcke in allen Längen, Dicken und Kompostierungsstadien, ein getrockneter Regenwurm, weiß der Geier, wo die Kammerjägerchen den aufgespießt hatten   …
    »Du bist doof«, sagte Edi.
    Ansonsten sah aber alles ganz prima aus. Der Schulhof war sauber (klar, wir wussten ja, wo der Dreck jetzt klebte), es gab eine große Rasenfläche mit zwei Toren, einen kleinen Schulgarten, in dem ein paar grüne Halme so taten, als könnten sie gegen den Winter anstinken, eine große, gepflasterte Fläche, auf der Hüpfekästchen und solcher Schwachsinn aus Kreide aufgemalt waren, und viele Papierkörbe. Es lag tatsächlich kein Müll herum.
    Eine Klingel ertönte und nur Sekunden später quollen brüllende Bonsais aus jeder Mauerritze. Der Lärmpegel war ungefähr so hoch wie direkt neben der Startlinie der Formel 1, aber Motorengeräusch ist natürlich ein geiles Geräusch,das einem das Glückshormon in den Adern brodeln lässt. Kindergeschrei ist dagegen reinster Trommelfellterror.
    Das fand wohl auch Gregor, denn er hielt sich mit beiden Händen fest die Ohren zu, als er sich in dem Gewimmel und Gewusel gegen den Strom auf den Schulhof kämpfte. Er hatte sich für seinen Besuch die denkbar ungünstigste Zeit ausgesucht, aber als echter Bulle schob er sich unaufhaltsam
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