Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten
Autoren: Jutta Profijt
Vom Netzwerk:
seufzend wieder ein.
    »Ist das Ihre Tochter?«, fragte Gregor und deutete auf das goldgerahmte Foto einer jungen Frau auf dem Regal. Herr Akiroglu nickte und gab es Gregor auf seine Bitte hin mit. Ohne goldenen Rahmen.
    »Wer ist Akif Akiroglu?«, fragte Gregor nach einer Weile, in der Jenny die Eltern animiert hatte, ihr etwas über ihre Tochter zu erzählen. Wie fleißig sie sei, wie beliebt sie an der Schule sei, wie gut sie ihr Studium abgeschlossen habe, wie schwierig die Ausbildung für Sibel gewesen sei, weilsie selbst ihr doch nie in der Schule hätten helfen können, blablabla.
    »Akif ist Sohn«, sagte der Herr des Hauses.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Suchen.«
    »Würden Sie ihn bitten, mich anzurufen, sobald Sie ihn sehen?«
    Nicken, Aufstehen, Verabschieden, Schuhe an, raus.
    »Wo ist die Verbindung zwischen den beiden Frauen?«, murmelte Gregor. »Ich will eine Ortung von Sibel Akiroglus Handy, kümmere dich bitte darum.«
    Jenny nickte. »Und du?«
    »Ich fahre zur Schule dieser Lehrerin. Vielleicht ist unsere Tote dort bekannt.«
     
    Ich überlegte blitzschnell. Vielleicht wäre es ganz sinnvoll, die Bonsais dabeizuhaben, wenn Gregor in ihrem Lernknast herumschnüffelte. Wäre ja möglich, dass ihnen etwas auffiel, was seltsam war. Wäre möglich, dass jemand log und sie die Lüge erkennen konnten, weil sie die Gegebenheiten kannten. Oder   … Ach egal, Gründe gab es genug. Ich düste zur Uniklinik, um sie abzuholen.
     
    Ich fand alle im Zimmer der beiden Jungen. Sie hingen um Niclas’ Bett herum, wo auch die Erwachsenen versammelt waren. Gleich als ich den Raum betrat, wusste ich, was los war. Mit diesem Scheiß kannte ich mich besser aus als mir lieb war.
    »Hörst du mich?«, kreischte die Frau, die ich aufgrund der Feuermelderhaarfarbe für Niclas’ Mutter hielt. Sie zerquetschte fast die Hand des Söhnchens und hatte ihr Gesicht bis auf wenige Zentimeter an das seine herangebracht, sodass sie ihm beim Sprechen Sabbertröpfchen ins Gesicht spuckte.
    Niclas düste zu dem EK G-Pflaster , das auf seiner Brust klebte, und zischte herum. Der Herzpieper machte ein paar Extraausschläge.
    »Sehen Sie«, kreischte die Mutter, indem sie sich zum Arzt umwandte.
    Der arme Mann war bleich wie die inkontinenzgelbe Bettwäsche und kontrollierte mit zitternden Fingern die Geräte.
    »Niclas, komm sofort da weg«, brüllte ich. Immerhin mal was anderes als »Ruhe!«.
    »Nein!«, schrie er hysterisch.
    Gut, wenn er Stress will, kann er Stress haben, dachte ich mir. Also flog ich auch zu dem Gerät. Jetzt tickte der Zeiger völlig aus. Der Arzt bekam auf der bleichen Haut hektische rote Flecken, seine Hände zitterten so stark, dass er aus Versehen ein Kabel aus dem Gerät riss.
    Ich hetzte zu Bülents Bett und zog dort dieselbe Show ab. Alle Erwachsenen drehten sich wie auf Kommando zum Kümmelchen um.
    »Lass das sein, du Blödmann«, brüllte Bülent mich an.
    »Dann lasst ihr jetzt den Quatsch bleiben«, brüllte ich zurück.
    »Ich mach doch gar nichts«, brüllte Bülent.
    »Ruhe!« Diesmal war es Jo, der kleine Lockenkopf.
    Die vier Bonsais hatten sich zur Deckenlampe zurückgezogen. Ich gesellte mich zu ihnen. Das gleichmäßige Pieppiep an Bülents Bett klang beruhigend. Nur bei Niclas piepte nichts mehr, weil der Doc das Kabelende noch in der Hand hielt und voller Entsetzen darauf starrte.
    »Sie haben ihn umgebracht«, kreischte Niclas’ Mutter. »Mörder! Mörder!« Sie wollte sich auf ihn stürzen, wurde aber von Bülents Mutter, die ein Kreuz wie ein Ringer hatte, resolut zurückgehalten.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Edi mit zittriger Stimme.
    »Niclas ist völlig in Ordnung«, sagte ich.
    »Aber da piept nichts mehr«, flüsterte sie.
    Ich überlegte einen Moment. »Wenn der Tacho nicht angeklemmt ist, fährt das Auto trotzdem weiter.«
    Sie blinzelte irritiert. Logo, Mädchen.
    »Wenn die Uhr kaputtgeht, bleibt trotzdem die Zeit nicht stehen.«
    »Ach so.«
    Das kapierte die Kleine verdammt schnell. Vermutlich würde sie später mal Quantenmechanik oder Thermodynamik oder was ähnlich Aufregendes studieren.
    Langsam entspannten die Kurzen sich und auch auf dem blank gewienerten Boden der körperlichen Tatsachen kehrte so etwas wie Besinnung ein. Der Arzt räusperte sich.
    »Bitte warten Sie alle draußen, während wir die Geräte überprüfen und dieses hier   …«, er ließ das zottelige Kabel schnell hinter dem Rücken verschwinden, »…   ersetzen.«
     
    Da niemand wusste, dass wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher