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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund
Autoren: Stephen Booth
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wieder einmal die Haare gefärbt, ein dunkleres Rot als je zuvor, fast schon violett, und ihre Fingernägel waren so dunkel lackiert gewesen, dass sie schwarz wirkten. Dann hatte sie ihm mit diesem wissenden Blick in ihren Augen und diesem verstohlenen Zwinkern gesagt, was sie von ihm wollte. Am nächsten Morgen hatte er Lee Sherratt entlassen. Es war bereits der zweite Gärtner, den er in diesem Jahr verlor.
    »Nein, natürlich nicht, Charlotte.«
    Sie akzeptierte seine Antwort. »Und was ist mit dem Jungen, diesem Lee?«
    Graham schwieg. Er legte ein weiches, ledernes Lesezeichen zwischen die Seiten des Romans und klappte ihn zu. Er nahm das Buch und das halb volle Glas Bacardi vom Tisch. Die Sonne war inzwischen fast völlig aus dem Tal verschwunden. Nur die zerklüfteten Grate der Witches glühten noch im Abendrot, von dem sich die bereits im Schatten liegenden Felsrinnen wie schwarze Streifen abhoben.
    »Was ist mit ihm, Graham? Was ist mit dem Jungen?«
    Er wusste, dass Charlotte in Laura noch immer das unverdorbene, unschuldige Mädchen sah. Und das würde ihre Tochter auch immer für sie bleiben. Aber Graham sah sie seit einiger Zeit mit anderen Augen. Und der Junge? Der Junge hatte seine Strafe bereits bekommen. Die Strafe dafür, dass er nicht nach Lauras Pfeife tanzen wollte. Lee Sherrat war zu stur gewesen, um sich auf ihre Spielchen einzulassen, und außerdem hatte er noch ein paar andere Eisen im Feuer. Deshalb hatte Graham ihn entlassen. Laura hatte es so gewollt.
    »Er ist von der Polizei vernommen worden. Er hat ausgesagt, dass er Laura seit Tagen nicht mehr gesehen hat.«
    »Glaubst du das?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Wer kann im Moment schon sagen, was man glauben soll?«
    »Ich will mit ihm sprechen. Ich will ihn selbst fragen. Ich will ihn zwingen, die Wahrheit zu sagen.«
    »Das wäre bestimmt keine gute Idee, Charlie. Überlass das lieber der Polizei.«
    »Aber sie wissen Bescheid über ihn?«
    »Natürlich. Sie haben ihn sowieso in ihren Akten. Wegen des Autodiebstahls.«
    »Was für ein Autodiebstahl?«
    »Du weißt doch. Vom Parkplatz oben auf dem Kliff wurde ein Wagen gestohlen. Laura hat uns davon erzählt.«
    »Wirklich?«, sagte Charlotte vage.
    Schließlich erlaubte sie ihm doch, sie zurück ins Wohnzimmer zu fahren, wo sie die Hände über die vertrauten Einrichtungsgegenstände gleiten ließ – ein Kissen, die Rückseite eines bezogenen Stuhls, den Klavierhocker, eine Reihe goldgerahmter Fotos in einer Vitrine. Sie öffnete ihre Handtasche, zog sich die Lippen nach und zündete sich eine Zigarette an.
    »Wer wollte morgen Abend sonst noch kommen?«, fragte sie.
    »Die Wingates, Paddy und Frances. Sie bringen Freunde aus Totley mit, die offenbar groß im Computergeschäft sind und zurzeit in Doncaster und Rotherham Systeme installieren. Paddy meint, sie haben eine echte Zukunft in der Branche. Sie wären die idealen Klienten, aber ich müsste zusehen, dass ich möglichst schnell den Kontakt knüpfe.«
    »Dann sollte ich mich wohl um das Essen kümmern.«
    »Bist ein Schatz.«
    Als sie sich zu ihrem Mann umdrehte, hatte sie keine Tränen in den Augen. Graham war erleichtert. Charlotte war keine Frau, die leicht weinte, und er hätte nicht gewusst, wie er damit umgehen sollte. Stattdessen nestelte sie an ihrem Tuch, sodass er ihre braunen Schenkel und die sanfte Wölbung ihres Bauchs über dem Bikinihöschen sehen konnte.
    »Du stehst auf Frances, nicht wahr?«, sagte sie.
    Graham grinste, den Spruch kannte er schon. »Nicht so sehr wie auf dich, Charlie.«
    Er wollte auf sie zugehen, aber sie wandte sich ab, nahm einen Fotorahmen aus der Vitrine und strich über die Ränder.
    »Kannst du nicht zu Lee Sherratt gehen, Graham? Damit wir Laura zurückbekommen.«
    »Lass es gut sein, Charlie.«
    »Warum?«
    »Weil die Polizei sie sowieso findet.«
    »Meinst du?«
    Der Rahmen, den sie in der Hand hielt, war leer. Sie hatten das Bild der Polizei gegeben, damit Laura identifiziert werden konnte, wenn man sie fand. Graham nahm Charlotte den Rahmen ab und stellte ihn wieder in die Vitrine.
    »Ganz bestimmt«, sagte er.
    Der Wutausbruch der alten Frau war vorbei, doch ihre knochigen Hände huschten immer noch fahrig über die geblümten Armlehnen des Sessels. Helen sah zu, wie sie sich allmählich wieder beruhigte und wie sie die Strickjacke hochzog, die ihr in der Aufregung von den Schultern gerutscht war.
    »Ich habe Wasser aufgesetzt, Grandma.«
    »Wie du meinst.«
    »Möchtest du deine
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