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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund
Autoren: Stephen Booth
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hätte, der sich aus dem Dunkeln auf sie gestürzt hätte. Stattdessen hatte sie sich verzweifelt an ihn geklammert und Trost in seiner Stärke gefunden.
    Zusammen hatten sie die Leiche abgeschnitten. Cooper war auf den Ast geklettert und hatte das Nylonseil mit seinem Taschenmesser durchtrennt. Der alte Mann war offensichtlich tot gewesen, lange bevor sie ihn heruntergeholt hatten. Es war eine saubere, akkurate Arbeit gewesen, der Knoten der Schlinge fachmännisch gebunden und unter dem Kieferknochen positioniert, die Höhe mehr als ausreichend für den Fall. Es war ein glatter Genickbruch.
     
    Als sie das alte hölzerne Gartentor am Ende des Gartens erreichten, zögerte Ben Cooper. Er fragte sich, ob sie wohl beide gerade denselben Gedanken hatten. Aber er wollte nicht der erste sein, der ihn aussprach.
    »Also hatte Sam Beeley den Hund«, sagte er stattdessen.
    »Den Border-Collie, ja. In einem Schuppen auf der Thorpe Farm versteckt.«
    Sie hatten gewartet, bis die bei einem plötzlichen Todesfall übliche Routine angelaufen war. Nachdem Fry im Revier angerufen hatte, war zuerst ein Streifenwagen mit zwei uniformierten Beamten eingetroffen. Dann kam ein Krankenwagen, dicht gefolgt vom Polizeiarzt, der offiziell den Tod feststellte. Alle mussten aufpassen, dass sie nicht auf den kleinen Berg verblasster, halb vertrockneter Rosen und Nelken traten, die, mit Schleifen geschmückt, auf der Erde lagen und die Stelle markierten, wo Laura Vernon gestorben war.
    Dann waren Cooper und Fry zusammen nach Moorhay hinaufgestiegen. Cooper ging den Weg in dieser Woche nun schon zum dritten Mal. Aber diesmal hatte er Diane Fry bei sich, die die Taschenlampe mit leicht zitteriger Hand auf die Reihe der Cottages richtete.
    Cooper war nicht entgangen, dass Fry sich inzwischen wieder unter Kontrolle hatte. Gleich nachdem sie die Leiche gefunden hatten, gleich nachdem sie sich in seine Arme geworfen hatte und die aufgestaute Angst aus ihr hervorgebrochen war, hatte sie wie selbstverständlich das Kommando übernommen. Klar und präzise gab sie ihre Anweisungen, als ob sie für die Führungsrolle geboren wäre.
    Und dann hatte er erfahren, dass sie schon auf der Thorpe Farm gewesen war, mit Sam Beeley gesprochen und den Hund gefunden hatte. Sie hatte im Revier angerufen, sie hatte Verstärkung angefordert. Sie hatte alles richtig gemacht. Sie würde alles Lob einstreichen.
    Doch Cooper war alles ein bisschen zu perfekt. Es war fast so, als ob Fry heute Abend nicht deshalb mitgekommen war, um ihm zu helfen, sondern um sich eine Gelegenheit zu verschaffen, ihren eigenen Namen unter den abschließenden Bericht im Fall Vernon zu setzen.
    »Wer soll es machen?«, fragte sie.
    Cooper nickte; er war erleichtert, dass sie es zuerst ausgesprochen hatte.
    »Wenn du willst, mache ich es.«
    Sie gingen den Gartenweg hinauf. Aus dem Cottage drang künstliches Gelächter. Cooper klopfte an. Es war schon spät, und das Lachen kam ihm viel zu laut vor. Als Gwen Dickinson die Tür öffnete, stieg der Geräuschpegel noch an, und er merkte, dass sie ferngesehen hatte.
    »Mrs. Dickinson, wann haben Sie Harry zuletzt gesehen?«, fragte Cooper.
    »Kommen Sie bitte rein«, sagte sie.
    Sie führte die Beamten durch das Esszimmer, wo eine Talk-Show lief, ins Wohnzimmer. Im Halbdunkel hing der Geruch nach Pfeifenrauch in der Luft, der Cooper im Wald aufgefallen war.
    »Ich wusste die ganze Zeit, dass etwas faul war«, sagte Gwen.
    »Wir haben einen Toten gefunden«, sagte Cooper. »Er hing auf dem Baulk an einem Baum.«
    »Um Gottes willen.« Gwen griff sich an die Brust, als würde ihr vor Schreck das Herz stehen bleiben. Sie tastete nach dem Sessel, der hinter ihr stand, und ließ sich schwerfällig hineinsinken. Sie starrte durch das Zimmer auf den Sessel gegenüber.
    »Sie wissen natürlich, um wen es sich handelt«, sagte Cooper. Aber diesmal galt seine Bemerkung nicht der alten Frau.
    »Natürlich«, antwortete Harry. Er hatte seine Pfeife im Mund, und sein Kopf ruhte auf der mit einem Deckchen verzierten Rückenlehne des Sessels. Obwohl die eine Lampe, die in der Ecke brannte, nicht viel Licht abgab, konnte Cooper erkennen, dass der alte Mann ihn spöttisch musterte. »Er wusste eben immer, was sich gehört, der alte Wilford.«
    Jess lag zu Harrys Füßen, ihr schwarzes Fell glänzte. Ein Auge hatte sie, die gespannte Atmosphäre witternd, furchtsam auf die Besucher geheftet.
    »Wollen Sie damit sagen, dass er Selbstmord begangen hat,
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