Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen
Autoren: Eva Lohmann
Vom Netzwerk:
engelsgleichen Geduld in immer gleiche Scheiben und macht mich damit traurig.
    Wann genau haben wir eigentlich damit angefangen, abends zu kochen statt zu vögeln? In den ersten Monaten einer Beziehung musste man früher aufpassen, dass man sich zwecks Nahrungsaufnahme zweimal am Tag voneinander löste. Körperlich an den Grenzen der Leistungsfähigkeit und schon mit leicht schwirrendem Gefühl im Kopf rief man den Pizzaservice an, duschte sich einmal kurz ab und wickelte den nackten, ausgezehrten Körper nachlässig in ein Handtuch. Wenn es klingelte, öffnete man die Tür, immer noch leicht erhitzt, und sah dem Lieferanten entschuldigend in die traurigen wissenden Augen. Man schlug die Tür zu, teilte sich die Pizza Margherita im Stehen und machte sich sofort daran, sie wieder abzutrainieren.
    Seit ungefähr einem Jahr ist Essen unser Sex. Wir pflücken stundenlang Steinpilze im Wald, reiben Hühnerbeine liebevoll mit Olivenöl ein und seufzen mit dem Mund voll Trüffelravioli. Danach sitzen wir mit vollen Bäuchen am Tisch, denken verstohlen an das, was früher war, und sind froh, wenn einer den Fernseher einschaltet.
    Â»Bleibt das jetzt eigentlich für immer so?«, frage ich Jonathan beim Essen möglichst neutral.
    Â»Was meinst du?«
    Â»Na, du und ich und das Thaihuhn. Ist das jetzt für immer?«
    Er starrt mich an. Er weiß genau, was ich sagen will. Trotzdem wählt er den einfacheren Weg: »Na ja, ein bisschen Abwechslung auf dem Speiseplan ab und zu wäre schon nett.«
    Â»Du weißt, was ich meine.«
    Ich sollte mich gar nicht so aufspielen. Ich würde ihn nicht fragen, wenn ich nicht ganz genau wüsste, dass er sich niemals von mir trennen würde. Schon gar nicht in diesem Moment, mit einem Thaihuhn auf dem Tisch. Was also will ich hören?
    Â»Was willst du hören, Wanda?«
    Â»Ich weiß es nicht.«
    Â»Dass ich dich für immer will?«
    Ja.
    Nein.
    Â»Ich will dich für immer.«
    Mir wird schlecht. »Du meinst aber nicht heiraten und so?!«
    Â»Wenn du mich so fragst, doch.«
    Zusätzlich wird mir heiß. Und dann überschlägt sich plötzlich das Herz:
    â€“Das war ein Antrag!
    â€“Das war gar nichts!
    â€“Doch, das war ein Antrag, und du musst nur noch Ja sagen.
    â€“Ich werde gar nichts sagen.
    Â»Wanda? Was ist los, warum sagst du nichts?«
    Â»Willst du mich auch noch, wenn ich alt und grau bin, meine Brüste schlaff werden und ich ein Gebiss brauche?«
    Â»Das würde ich mir noch mal anschauen müssen, wenn es so weit ist, aber ich denke schon.« Er lacht. Ich verzweifle. Muss er denn immer die richtigen Antworten geben?
    Â»Und was, wenn ich ein Raucherbein bekomme, das amputiert werden muss? Bleibst du dann auch bei mir?«
    Â»Ich denke schon.« Jonathan stopft sich das letzte Stückchen Huhn in den Mund und fügt beiläufig hinzu: »Außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, dass wir je viele Sachen gemacht haben, wozu wir deine Beine gebraucht hätten.«
    Das war’s. Ich kann doch keinen Mann verlassen, der solche Sätze sagt.
    Aber heiraten kann ich ihn auch nicht.
    Jonathan leckt sich die Finger ab: »Andere Frauen würden sich übrigens freuen, wenn ihr Freund ihnen einen Antrag macht.«
    Â»Du machst mir keinen Antrag, du machst mir Druck.«
    Â»Langsam nervst du. Ich wollte dich gar nicht fragen, ob du mich heiraten willst, Wanda. Das hast du irgendwie … selbst gemacht.«
    Â» Ich habe dich bestimmt nicht gefragt, ob du mich heiraten willst.«
    Oder jedenfalls habe ich es nicht so gemeint.
    Â»Schon gut, lass uns damit aufhören. Warst du heute nicht in unserer neuen Wohnung?«
    Nicht unsere Wohnung. Die Wohnung meiner Großeltern. Die Wohnung meiner toten Großeltern. Die Wohnung mit den Bernsteinhaaren meiner Großmutter unterm moosgrünen Teppich.
    Â»Nenn sie bitte nicht so. Erstens steht sie noch voller Kram, und zweitens habe ich mich noch nicht entschieden, ob ich sie wirklich nehme.«
    Â»Eine Fünfzimmerwohnung im Herzen von Hamburg-Othmarschen, die uns dein Vater schenken möchte – da entscheide ich einfach für dich mit, liebste Wanda.«
    Â»Es ist aber nicht deine Entscheidung.«
    Jonathan seufzt. »Wir schaffen es heute nicht, oder?« Seine Stimme klingt müde.
    Â»Was schaffen wir nicht?«
    Â»Das mit dem Nicht-Streiten.«
    Ich greife nach seinem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher