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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen
Autoren: Eva Lohmann
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Teller und staple ihn auf meinem, sodass mein Besteck nun zwischen den beiden Tellern eingeklemmt ist. Jonathan hasst das. Ich kann sehen, wie er sich konzentriert, nicht hinzuschauen.
    Â»Nein, ich glaube, heute schaffen wir es nicht«, sage nun auch ich und klinge dabei ebenfalls müde. »Vielleicht ist es besser, du gehst jetzt.«
    Â»Warum das denn auf einmal?«
    Â»Weil mir das gerade alles zu anstrengend ist.«
    Â»Zu anstrengend. Ich verstehe.« Jonathans Tonfall kippt ins Sarkastische. »Weißt du, Wanda, wenn das für dich alles so wahnsinnig unrealistisch ist, dass wir zusammenziehen, dass wir heiraten … dann verstehe ich nicht, warum du immer noch bei mir bist.«
    Â»Das frage ich mich auch manchmal.«
    Â»Warum trennst du dich dann eigentlich nicht von mir?«
    Â»Trenn du dich doch«, motze ich zurück und fege mit dem Arm so heftig über den Tisch, dass der Teller mit den Krabbenchips auf dem Boden landet und zerbricht. Das war jetzt ungewollt dramatisch. Aber zurück kann ich nur schlecht. Jonathan zieht genervt die Augenbrauen hoch, steht auf, bückt sich, um die Scherben aufzusammeln, und hält inne.
    Wenn er das jetzt macht, denke ich, was für ein Weichei. Und als ob er das gehört hätte, steht er auf, lässt die Scherben liegen, dreht sich um und … geht. Ohne ein Wort aus dem Zimmer, aus der Wohnung, aus dem Haus. Beeindruckt höre ich durch die offene Balkontür seinen Wagen starten und davonfahren, dann sitze ich eine Weile regungslos am Tisch.
    Â»So viel zu der Frage, ob das mit uns für immer ist«, flüstere ich und bahne mir meinen Weg durch die Scherben ins Schlafzimmer. Wie sollen wir den Rest des Lebens miteinander verbringen, wenn wir noch nicht mal einen einzigen friedlichen Abend schaffen?
    Trotzdem: Die Zeiten, in denen ich in solchen Situationen geweint habe, sind vorbei. Ich weiß genau, wie gut wir in ein paar Tagen darin sind, so zu tun, als wäre nichts geschehen.
    Früher hätte eine Unterhaltung wie die heutige gereicht, um die Sache zu beenden. Man hätte sich ein paar hartnäckige Tränen aus den Augen gewischt und dem nächsten Mann gewunken. Aber jetzt ist da plötzlich dieses Gefühl, dass man sich sehr genau überlegen muss, welchen Mann man mit dreißig noch verlässt. Welcher Spielverderber hat eigentlich das Karussell angehalten?
    Wahrscheinlich die gleiche Spaßbremse, die mir auch die Falten in die Augenwinkel gemalt und an den Brüsten gezogen hat. Die Zeit. Rennt und rennt und läuft und läuft, während man selbst faul herumsteht und darauf wartet, dass das Leben beginnt. Also das echte. Bisher hat man ja praktisch nur geprobt.
    Hat schon viel Spaß gemacht, das mit dem Proben, das kann man nicht anders sagen, und gerade deswegen sollte das richtige Leben auch bitte demnächst mit Pauken und Trompeten beginnen. Aber irgendwie bleibt der Tusch aus. Nirgendwo geht ein Vorhang auf, und Applaus kann man auch keinen hören. Da ist nur der Mann, der auch schon die letzten Jahre da war, und der nun fragt, ob man ihn heiraten will. Und auf einmal merkt man: Das ist schon mein Leben. Das war gar keine Probe. Man steckt mittendrin. Und »Anfang« kann man das beim besten Willen nicht mehr nennen. Die nächsten Jahre mit diesem Menschen werden auch nicht viel anders sein als die letzten, eher sogar langweiliger. Und wenn man um die nächste Ecke biegt, wird dort aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht plötzlich ein anderes Leben auf einen warten.

2
    Â» Did you have any relationships before? «
    Â» Of course I had. «
    Â» So what happened? Why didn ’ t they work out? «
    Â» What always happens. Life. «
    (500) Days of Summer
    Die Reste vom gestrigen Abendessen stehen noch auf dem Tisch. In der Spüle die zwei Weingläser, unsere halb ausgetrunkene Beziehung drängt zurück in mein Gedächtnis. Jonathans Pulli hängt noch über dem Stuhl, es kostet mich einiges an Überwindung, nicht daran zu riechen. Auf dem Boden die Scherben von meinem großen Auftritt.
    Ich setze mich mit dem Kehrblech neben den zerbrochenen Teller und denke über die gestrige Aufregung nach. Ist ein krümelkehrender Mann wirklich so unverzeihlich? Sollte ich mich nicht vielmehr freuen über einen Mann, der das Nest sauber hält? Der dem Nachwuchs ein Lätzchen umbindet, die Spülmaschine freiwillig ausräumt und schnell
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