Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht
Autoren: Bernd Rümmelein
Vom Netzwerk:
Zehenspitzen der Pflanze. Sie besaß ein helles Blattgrün. Ihre satt blutroten Blüten waren auffällig.
    »Eine
Candallee«
, dachte der Magier erstaunt,
»wie kommt diese höchst seltene und wertvolle Blutblume an diesen Ort? Für gewöhnlich wächst und gedeiht sie nur in den Grenzlanden und selbst dort ist sie kaum zu finden. Jemand muss sie aus den Grenzlanden mitgebracht haben. Schon eine einzige dieser Blüten ist ein Vermögen wert. Was für ein Glück, sie hat gleich vier davon.«
    Sapius beugte sich über die Candallee, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
    Die Blüten reichten ihm bis zur Brust. Es handelte sich um ein überaus prächtiges und schönes Exemplar, wie Sapius feststellte. Sie schien vollkommen gesund. Er konnte keine Parasiten oder Pilze entdecken. Sapius hatte viel über die Pflanze und ihren Nutzen gelesen, aber noch nie zuvor eine mit eigenen Augen gesehen. Lediglich auf farbigen Zeichnungen der heiligen Schwestern. Die Orna kannten sich mit der Candallee und ihrer Wirkung aus. Aber es war ihnen nicht gelungen, eine im Haus der heiligen Mutter aufzuziehen oder nachzuzüchten.
    Die Blätter und Stacheln der Blume waren giftig. Ein tödliches, schnell wirkendes und sehr schmerzhaftes Gift, das sich rasch im Körper ausbreitete, das Blut der Opfer gerinnen ließ, sämtliche Nerven und Muskeln lähmte und schließlich zum sicheren Tod führte. Selbst die Altvorderen waren vor diesem Gift nicht gefeit. Ein Felsgeborener mochte ihm zwar länger widerstehen, aber das war kein Vorteil, denn am Ende würde er ebenso an der Vergiftung sterben wie alle anderen auch. Nur das Leiden bis zum Tod würde länger dauern.
    Aus ihrer Blütenessenz allerdings ließ sich das stärkste Heilmittel herstellen, das Sapius kannte. Ein Wunder und ein Widerspruch in sich selbst – so schön, tödlich und heilsam zugleich. Vielleicht war sie auch nur die ideale Verkörperung des Gleichgewichts in einer Pflanze. Leben und Tod, Tag und Nacht lagen so dicht beisammen. Die Candallee war der Beweis dafür.
    »Ihre Blütenessenz erweckt selbst Tote aus ihrem Schlaf und entreißt sie den Schatten«
, dachte Sapius, überschwänglich in seiner Freude über den Fund.
    Entlang ihrer Blütenstängel besaß die Candallee kräftige Dornen und unmittelbar unterhalb der Blüten jeweils einen Dornenkranz mit spitzen, kleinen Dornen und Widerhaken. An den Blattunterseiten war sie fein behaart. Härchen, die auf Berührung reagierten und die Blätter dazu veranlassten, sich blitzschnell einzurollen. Sapius wagte nicht, die Pflanze zu berühren.
    Dicht unter den Blüten saßen die Samenkapseln. Vier an der Zahl, unter jeder Blüte eine, die wie kleine, runde Geschwülste aussahen. Sapius wusste, jede dieser Kapseln enthielt genau ein Samenkorn. War der Samen reif, platzte die Kapsel auf und gab ihn frei.
    Aber der Samen der Candallee würde nicht einfach keimen. Die Pflanze war empfindlich und brauchte besondere Bedingungen, um zu gedeihen. Echsen liebten das Samenkorn der Candallee und verspeisten es gerne, weil es ihnen bei der Verdauung half. Die Echsen schieden das Korn nach einigen Tagen unverdaut wieder aus. Das war eine geschickte Einrichtung der Natur, denn die Magensäfte einer Echse und anschließender Frost waren Voraussetzung dafür, dass das Samenkorn überhaupt sprießen konnte. Es machte den Samen geschmeidig und weckte ihn aus seinem Schlummer.
    »Habt Ihr etwas Interessantes gefunden?«, hörte Sapius Vargnar rufen.
    »Allerdings«, keuchte Sapius begeistert, »eine Candallee!«
    »Das sagt mir nichts«, antwortete der Felsenprinz, »was soll das sein? Ein mit Saiten bespanntes Stück Holz, auf dem Ihr Töne erzeugt?«
    »Verzeiht, wenn ich mich einmische«, meinte Rodso, »aber Ihr seid wahrlich ein Banause, mein Prinz. Die Candallee ist eine Blume. Aber Sapius muss sich geirrt haben. In dieser Gegend wachsen keine Candalleen.«
    »Blumen sind nicht meine Sache«, brummte Vargnar.
    »Über manche solltet Ihr jedoch Bescheid wissen«, tadelte Rodso den Felsenprinzen, »wegen nur einer Blüte dieser Blume wurden schon Kriege geführt.«
    »Rodso hat recht«, sagte Sapius, »die Candallee ist nicht irgendeine Blume. Sie ist etwas ganz Besonderes, und sie dürfte eigentlich nicht an diesem Ort blühen. Aber dies ist eine Candallee. Seht doch selbst!«
    Neugierig kletterte Rodso von der Schulter des Felsgeborenen und hüpfte zu Sapius, um sich die Blume anzusehen.
    »In der Tat, eine Candallee«, gab Rodso schließlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher