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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas
Autoren: Deborah Powell
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Nacht zog sich endlos hin, über ein
    Jahrtausend ungefähr. Wir verbrachten mindestens
    noch eine Stunde in der Kirche, dann wurden wir
    zum Verhör und Unterschreiben von Aussagen zum
    Polizeipräsidium in die Innenstadt verfrachtet. Frank
    erlaubte mir gegen zwei, sein Telefon zu benutzen.
    Ich rief Lily an, um ihr zu sagen, daß es mir gut ging.
    Die übrige Zeit mußte ich auf einem harten Stuhl
    sitzen, meine Geschichte erzählen, harte, alte Donuts
    essen und graue Kaffeebrühe trinken. Es war
    trotzdem nicht schlecht – ich höre mich gern reden.
    Schließlich weiß ich nie, was ich als nächstes sagen
    werde.
    Frank schickte mich um sechs Uhr morgens mit
    einem Streifenwagen nach Hause. Mein Hals tat weh,
    meine Klamotten waren feucht, meine Augen fühlten
    276
    sich an wie eine Sandkiste, und ich hatte einen
    Tatterich – zuwenig Schlaf und zuviel Kaffee.
    Als ich ins Haus spazierte, saßen Lily, Park und
    Charlotte am Cocktailtisch und tranken Kaffee.
    Ich fragte: »Du liebe Güte, habt ihr nicht
    geschlafen?«
    »Wer kann denn schlafen, wenn so etwas
    passiert?« rief Lily. »Du siehst furchtbar aus! Komm,
    du mußt aus deinen Sachen raus, ich lasse dir ein
    heißes Bad einlaufen.«
    »Das klingt wunderbar. Ich fühle mich, als hätte
    ich ein Faß Rahm mit einer Pinzette gebuttert.«
    Ich weichte mich in der Wanne ein, bis ich wie
    eine Backpflaume aussah, dann wickelte ich mich in
    meinen Morgenmantel, schlurfte ins Wohnzimmer
    und ließ mich in die chromlederne Chaiselongue
    plumpsen.
    »Was ist mit Jasmine?« fragte Charlotte
    unglücklich.
    »Sie ist entwischt.«
    »Sie ist entwischt? Wie ist das passiert?« fragte
    Park und zündete sich eine Zigarette an.
    »Sie hat mich ausgetrickst. Sie hat gesagt, sie
    wollte eine Decke holen, um Bitsy zuzudecken, und
    hat die Biege gemacht.«
    277
    Lily lächelte in sich hinein, als Charlotte aufschrie:
    »Du hast sie gehen lassen!«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Wo sie wohl hin ist?« fragte Lily, kam zu mir und
    setzte sich vor mich auf den Fußboden. Sie lehnte den
    Kopf zurück, so daß ihr schwarzes Haar dekorativ
    über mein Bein fiel.
    »Ich schätze, sie wird Kurs auf Südamerika
    nehmen. Da unten lieben sie Rothaarige.« Ich lachte.
    »Vor allem gutaussehende, feurige Rothaarige.
    Insbesondere gutaussehende, feurige Rothaarige mit
    Geld wie Heu.«
    »Was meinst du damit?« fragte Park.
    »Tja, ich bin sicher, sie hat immer gewußt, daß ihre
    Glückssträhne eines Tages zu Ende sein würde und
    sie die Stadt schleunigst verlassen müßte.
    Wahrscheinlich hat sie ihre Flucht seit Jahren geplant
    und ein hübsches Sümmchen auf einem Schweizer
    Konto beiseite gelegt.«
    Park sagte: »Ich verstehe die krumme Tour mit der
    Kirche, aber wer hat die Stovalls getötet?«
    »Tony Garcia war’s, da bin ich sicher. Aber ich
    weiß nicht, wer ihm den Auftrag erteilt hat und
    warum. Donnigan und Smiley haben fleißig ihre
    Unschuld beteuert, als ich das Präsidium verließ. Aus
    irgendeinem Grund glaube ich ihnen«,, sagte ich.
    278
    Das Telefon schrillte, und ich setzte mich an den
    Schreibtisch und nahm ab.
    »Hollis, hier ist Jasmine. Ich wollte nicht
    verschwinden, ohne mit dir zu sprechen. Ich muß
    mich bei dir bedanken, daß du mich hast gehen
    lassen.« Ihre Stimme war tief und kühl.
    »Ich habe dich nicht gehen lassen – du hast mich
    ausgetrickst«, protestierte ich.
    »Ich glaube nicht, daß irgend jemand dich
    austrickst, Hollis.« Sie lachte. »Du hast mich wegen
    Charlotte gehen lassen, das weiß ich. Wie auch
    immer, ich mußte anrufen, um dir zu danken. Ich
    wünschte, es gäbe etwas, was ich als Gegenleistung
    tun könnte.«
    »Du kannst ein paar Fragen beantworten.«
    »In Ordnung.«
    Wir telefonierten eine halbe Stunde, bis ich die
    Informationen hatte, die ich brauchte. Sie war so ans
    Lügen gewöhnt, daß es eine Weile dauerte, bis sie
    mit der Wahrheit rausrückte – oder wenigstens so
    viel, daß die Geschichte einen Sinn ergab. Schließlich
    sagte sie: »Ich muß jetzt los. Sag Charlotte, ich werde
    oft an sie denken.«
    »Aber klar.«
    »Ich habe sie wirklich gern«, sagte sie ruhig.
    »Klar doch.«
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    Die Leitung war tot, und ich hängte langsam die
    Hörmuschel in die Gabel an der Seite des Ständers.
    Ich nahm das Telefonbuch, suchte eine Nummer raus
    und wählte sie.
    »Mr. Willson«, sagte ich, als er sich meldete. »Hier
    ist Hollis Carpenter. Schwester Jasmine ist
    verschwunden – und die Kirche der Jesus People
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