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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume
Autoren: Barbara Wood
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Furcht erregend rot glühend am nächtlichen Himmel ab, und unter dumpfem Rumoren bebte die Erde.
    Lediglich die Große hatte eine Erinnerung an jene schreckliche Nacht bewahrt; die anderen waren bereits wieder damit beschäftigt, den Boden nach Essbarem abzusuchen, nach Termitenhügeln Ausschau zu halten, nach an Samen reichen Pflanzen und Kriechgewächsen mit bittersüßen Beeren. Als Einauge mit dem Fuß einen verrottenden Baumstamm umtrat, fielen die Menschen über die darunter zum Vorschein kommenden Maden her und stopften sie sich gierig in den Mund. Redlich geteilt wurde nicht. Die Stärksten aßen, die Schwächsten mussten sich mit dem begnügen, was übrig blieb. Löwe, der dominierende Mann in der Gruppe, drängte sich natürlich vor.
    Als junger Mann war Löwe einmal auf den frischen Kadaver einer alten Löwin gestoßen. Noch ehe die Geier über sie herfielen, war es ihm gelungen, ihr das Fell abzuziehen. Er hatte sich den blutigen Balg über Schultern und Rücken gehängt, wo er, mit Maden übersät und stinkend, allmählich angetrocknet war. Da er das Fell seither nie abgelegt hatte, war es zu einem Teil von ihm geworden; sein langes Haar hatte sich darin verfilzt, und sobald er sich bewegte, knarrte die starre Tierhaut.
    Löwe war nicht zum Anführer der Familie ernannt worden, es hatte keine Abstimmung gegeben, keinen Beschluss. Er hatte einfach eines Tages, nach einer Auseinandersetzung, die Führung übernommen, und die anderen waren ihm gefolgt. Honigfinderin, Lowes vorrangige Geschlechtspartnerin, nahm ihrerseits wegen ihrer Größe und Stärke und ihrer gierigen, aggressiven Art unter den Frauen eine dominierende Stelle ein. Beim Essen stieß sie schwächere Frauen beiseite, um sich und ihren Kindern ihren Anteil zu sichern; es kam sogar vor, dass sie anderen die Nahrung aus der Hand riss und selbst verspeiste. Jetzt standen sie und Löwe bei dem modrigen Stück Holz, und erst als sie satt waren und Honigfinderin dafür gesorgt hatte, dass auch ihre fünf Kinder genug abbekommen hatten, traten sie beiseite, damit sich die schwächeren Familienmitglieder über die Reste hermachen konnten.
    Die Große zerkaute eine Hand voll Maden und spuckte dann den Brei auf ihren Handteller, um ihn daraufhin Alter Mutter hinzuhalten. Dankbar schleckte die zahnlose Greisin die farblose Masse auf. Nach dem Mahl ruhten sich die Menschen aus. Die kräftigeren Männer hielten Ausschau nach Raubtieren, während die anderen ihren täglichen Beschäftigungen nachgingen – dem Stillen der Säuglinge, dem gegenseitigen Absuchen nach Ungeziefer, dem Mittagsschlaf, der Befriedigung sexueller Bedürfnisse.
    Geschlechtliche Vereinigungen erfolgten für gewöhnlich rasch und waren ebenso rasch vergessen, selbst unter Paaren, die vorübergehend so etwas wie Zuneigung füreinander entwickelten.
    Längerfristige Bindungen gab es nicht; die Befriedigung des Geschlechtstriebs erfolgte, wann immer sich Gelegenheit dazu ergab.
    Skorpion schnüffelte bei den Frauen herum, unbewusst auf der Suche nach dem typischen Geruch, den Frauen in der Mitte ihres Zyklus, dem Beginn ihrer Fruchtbarkeitsphase, verströmten.
    Gelegentlich war es auch die Frau, die auf der Suche war, wie beispielsweise jetzt Baby, die es instinktiv danach verlangte, sich mit einem Mann zu paaren. Da Skorpion sich bereits mit Maus vergnügte, fiel Babys Wahl auf den Hungrigen, und obwohl der anfangs kein Interesse zeigte, gelang es ihr, ihn zu erregen, worauf sie sich höchst zufrieden rittlings auf ihn setzte.

    Während also die Familie ihren Bedürfnissen nachging und in der Ferne der Berg weiterhin Feuer und gasige Dämpfe gen Himmel spie, hielt die Große aufmerksam Ausschau nach allem, was sich rührte, in der Hoffnung, die Ohren oder den Schatten der sich anpirschenden Gefahr zu erspähen. Aber da war nichts.
    Vom Durst gepeinigt, schleppten sie sich durch den Nachmittag.
    Die Kinder wimmerten nach Wasser, die Mütter waren bemüht, sie zu vertrösten, und immer wieder schwärmten die Männer aus, suchten, die Augen mit der Hand schirmend, die Ebene nach Hinweisen auf einen Wasserlauf oder einen Tümpel ab. Sie folgten den Spuren von Elenantilopen und Weißschwanzgnus, in der Hoffnung, sie würden zu einer Tränke führen. Sie beobachteten den Flug der Vögel, insbesondere solcher, die vornehmlich in Sumpfgebieten lebten – Reiher und Störche. Desgleichen hielten sie Ausschau nach Elefanten, da sich diese Dickhäuter meist an Wasserstellen aufhielten, wo sie
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