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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral
Autoren: Otto Rahn
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Nation in Wien erhalten geblieben ist. Daß diese Anspielungen auf den Gralsmythos von dem Architekten Hermann Bartels nach dem Krieg zurückgewiesen wurde, ist verständlich, denn seine Arbeit hatte überwiegend ausführenden Charakter. 45 Wo Bartels Eigenständiges ins Spiel brachte, wurde er bereits 1934 hinter den Kulissen von Darres Schwester, der Frau des ehemaligen Burghauptmanns Knobelsdorff, angeschwärzt, gleichzeitig bestand sie auf dauernde „Fühlung“ zu Oberst Weisthor. 46 In späteren Plänen wird der ursprüngliche Entwurf geändert und nimmt die Gestalt der breiten „Reichslanze“ mit ausgeschnittenen Seitenteilen an. Diese „Reichslanze“ soll in den Händen der germanischen Könige eine staatsrechtliche Bedeutung gehabt und ihrer Macht Ausdruck verliehen haben. 47
    Dazu gibt es einen bemerkenswerten Aspekt, denn immerhin wurde in Westfalen zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 1648 der Westfälische Friede geschlossen, eine Übereinkunft, in dessen Folge das einstige Reich in souveräne Einzelstaaten zerfiel und das einen machtpolitischen status quo schuf, der bis zum Ende des alten Reiches 1806 bestand: Der Westfälische Frieden als schwärende Wunde, die es zu heilen galt. Der Legende nach hatte die Lanze des Longinus auch eine blutstillende, heilende Wirkung. Wolfram beschreibt, daß die durch Gift glühendheiße Spitze der Lanze auf der Wunde des Fischerkönigs dessen ärgsten Schmerzen linderte, weil das Gift den Frost aus dem Körper trieb. 48 Dies könnte ein Beweggrund gewesen sein, warum das weltanschauliche Zentrum der SS die geplante Form einer Lanze hatte. Eine architektonische Lanze, die symbolisch die Wunde dort heilen sollte, wo man sie schlug.
    Der Nordturm als Spitze der lanzenförmigen Anlage wird von den mitbeschäftigten Architekten Draack, Knickenberg und Waltert nach dem Krieg, ohne daß sie dazu eine nähere Erklärungen abgeben konnten, übereinstimmend als „Mittelpunkt der Welt“ bezeichnet. 49
    Julius Evola, der 1974 verstorbene traditionalistische Kulturphilosoph, kann durch sein Buch „Das Mysterium des Grals“ etwas zur Erhellung dieser seltsamen Aussage beitragen. Er schreibt dort:
    „1) daß der Gral kein christliches, sondern ein hyperboräisches (seinem Wesen nach ein nordisches 50 ) Mysterium sei,
    2)    daß es sich dabei um ein initiatisches Mysterium handle und,
    3)    daß der Gral symbolischer Ausdruck der Hoffnung und des Willens einer bestimmten Führungsschicht im Mittelalter gewesen sei, die das gesamte damalige Abendland in einem ‘heiligen’, d. h. auf transzendenten, spirituellen Grundlagen beruhenden ‘Reich’ neu organisieren und vereinigen wollte.“ 51
    Für Evola ist der Gral das Zentrum eines „Reiches“; zu ähnlichen Schlüssen kommt der bedeutende Esoteriker René Guenon: „Ferner heißt es, daß der Gral Adam im irdischen Paradies anvertraut wurde. Doch auch er verlor ihn bei seinem Fall, da er ihn bei seiner Vertreibung aus Eden nicht mitnehmen konnte [...].
    Tatsächlich ist der aus seinem ursprünglichen Zentrum vertriebene Mensch seither gefangen in einem zeitlichen Bereich. Er kann den einzigen Punkt, von dem aus alle Dinge unter dem Aspekt der Ewigkeit zu betrachten sind, nicht mehr finden. Mit anderen Worten, der Besitz des ‘Sinns der Ewigkeit’ ist mit dem Zustand verbunden, den alle Traditionen [...] den ursprünglichen nennen und dessen Wiederherstellung die erste Stufe der wirklichen Einweihung bedeutet, der Vorbedingung für die tatsächliche Beherrschung der ‘übermenschlichen’ Zustände.“ 52
    Diese Betrachtungen passen zum Selbstverständnis und Selbstbewußtsein der SS, die Himmler als einen „soldatischen Orden nordisch bestimmter Männer“ 53 und als rassische Elite des „Reiches“ ausgerichtet hatte.
    Weitere Gralsaspekte lassen sich ebenfalls im Nordturm finden, auf dessen unterster Ebene die sogenannte „Krypta“ liegt. Der einige Meter unter der Erde liegende Raum wird in seiner Atmosphäre durch die dramatische Lichtführung von vier Fensterschächten bestimmt. Im ausgeleuchteten Zentrum der halbdunklen „Höhle“ findet sich eine noch nicht fertiggestellte Feuerstelle, um die sich kreisförmig an der Wand entlang zwölf Postamente in Sitzhöhe gruppieren. Die Assoziation zu der Tafelrunde des König Artus und seinen Gralsrittern drängt sich auf, und auch die Parallele zum Deutschritterorden der Marienburg mit seinem leitenden Konvent aus zwölf Rittern scheint
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