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Kreuzzüge

Titel: Kreuzzüge
Autoren: Barnes John
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mussten sie in den Unterlagen neu erfasst werden, da der Offizier, der die Passagierliste führte, ebenfalls zu den Totalverlusten zählte. Dementsprechend hatte es eine ganze Weile gedauert, bis sie die Lage halbwegs beurteilen konnten, und es kam teilweise zu ziemlich widersprüchlichen Angaben darüber, wer alles auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben war.
    »Du bist dir also ganz sicher, dass wir drei Offiziere verloren haben?«, fragte Hauskyld einen der Soldaten.
    Der Mann strich sich mit der Hand über den Kopf, hielt dann jedoch in der Bewegung inne, als er seine frische Kopfwunde berührte.
    »Sie waren vor uns, haben sich weiter vorgewagt als wir. Dann fielen plötzlich diese Bestien über uns her, und sie wurden vom Rest der Truppe abgeschnitten …«
    Hinter Hauskyld sagte jemand: »Mit anderen Worten, du bist davongelaufen.« Hauskyld drehte sich um und blickte direkt in das Gesicht eines Tempelritters.
    »Ich wollte nur einmal nachsehen, wen wir alles hier haben«, sagte der Mann freundlich. »Die Verhandlungen des Kriegsgerichts vertagen wir auf später. Für ein solches Verhalten gibt es absolut keine Entschuldigung! Warum ist dieser Mann nicht in der Büßerzelle?«
    »Weil wir die Zelle vorübergehend zum Krankenzimmer umfunktioniert haben. Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?«
    »Wo finde ich den Bischof?«
    »Er wurde vor einigen Monaten getötet. Sie wenden sich am besten an Pater Sherman. Gehen Sie über den Innenhof und fragen sie dann die Wachen nach dem Weg.«
    »Danke.« Der Tempelritter starrte ihn eine Weile an. »Welchem Orden gehörst du an?«
    »Mbweist.«
    »Das dachte ich mir.« Er drehte sich um und stolzierte aus der Tür hinaus.
    Hauskyld wandte sich wieder den Männern zu, die er eben befragt hatte. Allzu viel schienen sie indes nicht zu wissen.
    »Berücksichtige bitte, Bruder, dass wir an der Orbitalstation Arimathea erst heute Morgen durch das Gate gegangen sind. Es ging alles drunter und drüber«, versuchte ihm einer der Unverletzten zu erklären.
    Hauskyld musterte ihn genau. Der Bursche war sicher nicht älter als vierzehn.
    »Weshalb das Durcheinander?«
    »Na ja …« Der Junge leckte sich über die Lippen. Hauskyld kontrollierte noch einmal, ob der Rekorder tatsächlich alles aufzeichnete.
    »Wir hätten den Starttermin beinahe verpasst. Die Leute liefen alle hin und her. So weit ich gesehen habe, blieben nur die Tempelritter ordentlich zusammen, alle anderen rannten planlos herum. Dann ging plötzlich der Alarm los, wir rannten alle durch das Gate, und dann waren auch schon diese Monster hinter uns her – Bruder, wie nennt man die denn noch?«
    Die Frage riss Hauskyld aus seinen Gedanken. »Greife – das sind die mit den großen Flügeln. Und die intelligenteren, die Reiter, die nennen wir einfach Randallaner. Sie selbst nennen sich Thni'tarath-an-k'pha; das heißt so viel wie ›Zügellose Läufer‹. Die Greife heißen bei ihnen Thni-an-k'ba.«
    »Thni'tarath-an-k'pha und Thni-an-k'ba.« Die Aussprache des Jungen war perfekt.
    »Richtig. Und was war deine Aufgabe?«
    »Ich habe dem Koch geholfen und die Leute bedient. Eigentlich habe ich gehofft, irgendeine Berufsausbildung zu erhalten.«
    Hauskyld nickte ihm zu und ging weiter. Vielleicht konnte er den Jungen in seiner Klasse unterbringen und ihn für seine linguistischen Forschungen interessieren. Das Talent dafür hatte der Bursche gewiss.
    Innerlich seufzte er tief und widmete sich dann wieder den Unterlagen. Gerade als er zu der erstaunlichen Erkenntnis gelangte, dass Shorty, Denny und Sergeant Tang ein und dieselbe Person und dazu noch ausgesprochen tot waren, klopfte ihm Joshua auf die Schulter. »Der Alte will dich sprechen.«
    »Hat er gesagt, um was es geht?«
    »Nein. Er sagte nur sofort. Punkt. Ich soll deine Arbeit fortsetzen, was immer du da auch gerade tust.«
    Hauskyld erklärte ihm, was noch zu erledigen war. Dann rannte er über den glühend heißen Innenhof zu Pater Shermans Büro.
    Da sein eigentliches Aufgabengebiet seit einiger Zeit für nichtig erklärt worden war, musste er ständig all die Dinge erledigen, für die sonst niemand zuständig war. Eine recht große Aufgabe, wenn man in einer Festung mitten im Feindesland lebt. Er hegte die irre Hoffnung, dass es sich diesmal um eine Aufgabe handeln würde, die zumindest am Rande etwas mit Ethnologie zu tun hatte.
    Aber in seinem Innersten verspürte er diesbezüglich arge Zweifel.

Kapitel 3
    Pater Shermans ›Sekretär‹
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