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Kreuzzüge

Titel: Kreuzzüge
Autoren: Barnes John
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Metalldetektoren vorbeischmuggeln kann. Passt nur auf, dass ihr alles richtig aufzeichnet – und ihr dürft mich auf keinen Fall unterbrechen. Ich werde ihm ein paar dicke Lügen auftischen! Und dann wollen wir mal sehen, wie er darauf reagiert.«
    Er reckte den Hals und drehte ihn vorsichtig hin und her. »Ah.«
    »Was ist los?«, fragte Clio besorgt.
    »Arthritis. Es wird langsam genauso schlimm wie bei dem alten König. Clio, du und ich, wir werden beide alt und haben schon so viel gemeinsam erlebt …«
    »Amen«, sagte sie, und ihre Lippen zitterten ein wenig.
    »Also, ihr verschwindet jetzt aus dem Raum! Seht zu, dass ihr alle gute Plätze vor den Monitoren ergattert. Und Ajax Madison …«, er überprüfte den kleinen Monitor in der Ecke, »… kommt gerade durch Kontrollpunkt drei. Also wird er in weniger als zehn Minuten hier sein.«
    Clio, Raul und Toth-Ftari verschwanden durch die Vordertür, stiegen in einen Wagen und fuhren los, um sich mit dem Erzbischof und der Botschafterin zu treffen. Kuf schloss die Tür hinter ihnen und dunkelte die Ecke mit dem Bildschirm ab.
    Kurz fragte er sich, welche Geschichte der General wohl der Botschafterin aufgetischt hatte. Aber das war im Moment nicht wichtig. Er setzte sich hin, sprach ein Gebet und meditierte, weil er plötzlich den fast unwiderstehlichen Drang verspürte, Faxen zu machen und Grimassen zu schneiden, da er wusste, dass die Kameras jede seiner Bewegungen aufzeichneten.
    Der Tathergang schien völlig klar zu sein, doch das Motiv lag im Dunkeln. Als sie die Kameraaufzeichnungen und die archivierten Informationen des Verkehrssystems überprüft hatten, stellte sich heraus, dass Ajax Madison ein richtiges Doppelleben führte. Er schien von allen Mitgliedern der Liga-Delegation der beliebteste zu sein, zeigte sich gerne in der Öffentlichkeit, war immer bereit, sich mit Schulkindern und anderen Gruppen zu unterhalten, hatte kein Problem damit, auch mal ein Volkslied oder eine Geschichte aus seiner Heimat vorzutragen …
    Kinder, die er in der Schulklasse besucht hatte oder die auch nur Videos von ihm gesehen hatten, schrieben ihm begeisterte Briefe, die er alle persönlich beantwortete. Wenn man ihn in der Öffentlichkeit traf, unterhielt er sich ausführlich mit jedem, und wenn die Leute dann wieder nach Hause gingen, schwärmten sie geradezu, was für ein netter junger Mann er doch sei.
    Aber zweimal pro Tag verschwand er und beteiligte sich an bizarren Versammlungen von Aufrührern. Wie es aussah, war er ihr Anführer. Direkt nach seiner Ankunft auf der Station hatte er zwei frisch gebackene Kolonisten angeheuert und sie angewiesen, in der Bar des Freizeitdecks antiatheistische Lieder und Slogans zu johlen. Er selbst sprühte ähnliche Slogans an die Wände, schob Drohbriefe unter den Türen der Personen hindurch, die an den Friedensverhandlungen beteiligt waren, und versuchte, durch Beeinflussung der Berichterstatter über die Nachrichtensender Gerüchte zu lancieren.
    Anscheinend wusste er jedoch nicht, dass alle Reporter Angestellte der Temporalregierung oder der Kirche waren, die ihre Berichte vorab bei ihren Brötchengebern zwecks Zensur einreichten. Alle seine Aktionen waren ganz offensichtlich darauf ausgerichtet, die Friedensverhandlungen platzen zu lassen … aber aus welchem Grund, darüber konnte man sich tagelang streiten.
    Kuf wollte herausfinden, ob er mit seiner Theorie richtig lag.
    Ajax Madison war selbst für einen Terraner eine seltsame Persönlichkeit. Clio hatte Kuf versichert, dass er attraktiv sei und sich allgemein recht großer Beliebtheit erfreute. Kuf fand allerdings, dass sein Verhalten unecht und einstudiert wirkte. Schon gleich bei ihrem ersten Zusammentreffen war ihm aufgefallen, dass Ajax Madison die Eigenart besaß, beim Publikum den Eindruck zu erwecken, es gäbe nur eine einzige richtige Meinung zu einer bestimmten Sache – und zwar die, die er selbst vertrat!
    Logik schien dabei für ihn absolut keine Rolle zu spielen. Nun war es keineswegs eine Todsünde, wenn jemand seine rhetorische Begabung ausnutzte, doch für Kufs Geschmack beruhte Ajax Madisons Überzeugungskraft eher auf simpler Manipulation denn auf Genialität. Als er mit den anderen darüber diskutiert hatte, traf Bruder Raul Kufs Ansicht nach genau ins Schwarze, als er feststellte, Ajax Madison sei ein verdammter Sophist. Und genau aus diesem Grund war Madison ein sehr effektives Werkzeug für jemanden, der ihn für seine Zwecke einzusetzen
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