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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 3
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er hatte genug geredet.
    Dieses leidenschaftliche Plädoyer, das mich an frühere Zeiten erinnerte, überraschte mich.
    Man muss immer die jeweiligen Umstände bedenken, ob es sich bei einem Geschehen um ein Verbrechen handelt oder nicht, das hatte mir Herbert während meiner Berufsjahre als Anwaltsgehilfin beigebracht. Skepsis ist immer angebracht, wenn es um juristische Entscheidungen geht. Nicht alles ist Recht, was Gesetz ist. Und manchmal kann das, was man als normal hinnimmt, das größte Verbrechen sein. Man muss vieles in Betracht ziehen, muss abwägen und darf nicht vorschnell urteilen. Erst dann wird man der Bewertung eines Geschehens gerecht. Hätte man den Deserteur vor Kriegsende aufgespürt, wäre er höchstwahrscheinlich standrechtlich erschossen worden, und der Todesschütze wäre noch nicht einmal dafür belangt worden.
    Den Wasserfall würde ich künftig mit anderen Augen betrachten. Er war zur Grabstätte geworden für einen Soldaten, der offenbar nichts weiter wollte als einen kurzzeitigen Unterschlupf auf dem Weg nach Hause zu seiner Familie. Ich tastete nach Herberts Hand und drückte sie ganz fest.

Mit Pauken und Trompeten
VON R UDI J AGUSCH
    Als die drei Männer das
Musikhaus Müller
in Daun betraten, grummelte Tina Fazlis Bauch. Wie die Daltons, dachte sie. Nein, korrigierte sie sich stumm, wie die Daltons im Outfit der Blues Brothers. Obwohl die Daltons vier an der Zahl waren und die Blues Brothers nur zwei. Passte also nicht ganz. Dann eben Orgelpfeifen. Aber mehr noch wie ihr jüngerer Bruder, wenn er wieder einmal kurz davor stand, Mist zu bauen. Und genau das bereitete ihr ein flaues Gefühl. Tina wischte ihre überdrehten Gedanken zur Seite und konzentrierte sich auf die Kundschaft. Sie strich ihre dunkelblonden, schulterlangen Haare über die Ohren und begrüßte die Ankömmlinge.
    »Hi«, antwortete der Längste und lächelte verschmitzt. »Was für wunderschöne blaue Augen Sie haben. Wie zwei Maare in der Sonne.«
    Gespielte Lässigkeit, gepaart mit cooler Arroganz, troff den drei Herren quasi aus jeder Anzugsöffnung. Und wenn Tina eins nicht leiden konnte, waren es eingebildete Typen. Am liebsten hätte sie den Kollegen das Feld überlassen. Doch die waren alle in die Mittagspause entschwunden. So stand sie als einzige Verkäuferin am Empfangstresen und rang sich ein Lächeln ab. Sie hätte doch besser in einem Baumarkt anfangen sollen. Dort hätte sie sich rasch zwischen irgendwelchen Regalen verstecken können. Blödmann, dachte sie, Maare und blau, das passt zusammen wie Himmel und Hölle. Sie verzichtete darauf, den Langen darauf hinzuweisen. Schließlich schickte es sich nicht, den Kunden schon am Anfang des Gesprächs zu verärgern.
    Die Drei bauten sich vor dem Tresen in einer Linie auf und nahmen synchron ihre nachtschwarzen Sonnenbrillen ab. Der Lange deutete eine Verbeugung an und lächelte.
    Men in Black
, kam es Tina in den Sinn. Oder John Travolta und Samuel L. Jackson in
Pulp Fiction
.
    Mist.
    Seit sie in der Eifel lebte, hockte sie definitiv zu viel vor dem Fernseher. Überall verglich sie Menschen mit Figuren aus ihren Lieblingsfilmen.
    Der Kleinste sah sich um und pfiff durch die Zähne. »Mensch, ein Paradies«, röchelte er asthmatisch. Er leckte sich die Lippen, seine Augen leuchteten.
    Tina atmete erleichtert auf. Wenn der Zwerg sich hier in Adam und Evas erster Heimat wähnte, wusste er offensichtlich gute Instrumente zu schätzen.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
    »Malnenüberblickmachen«, nuschelte der Zweitgrößte mit versteinerter Miene.
    Tina runzelte die Stirn und sah den Längsten an, den sie intuitiv für den Wortführer hielt.
    »Ich übersetze.« Er klopfte dem Mittellangen auf die Schulter und lachte. »Wir wollen uns beraten lassen, wir möchten nämlich eine Bande … äh … Band gründen. Eigentlich sind wir vier, aber unser Fahrer ist heute krank.«
    »Arschjesicht«, spie der Mittlere aus.
    Tina zog es vor, den Wörterbrei zu überhören. Was ging es sie an, wie die Vier untereinander auskamen. Sie umrundete mit einem eleganten Hüftschwung den Tresen. »Gerne. Was soll es denn sein? Blasinstrumente haben wir hier links, dahinten rechts stehen die Gitarren, Keyboards und Schlagzeuge, dazu die Technik. Und den Gang hinauf, ganz hinten im Raum, Streichinstrumente, Klaviere und Flügel.« Sie wedelte in die jeweiligen Richtungen wie eine Stewardess, die die Notausgänge andeutet.
    Der Kleine schob sich an ihr vorbei und breitete
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