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Kramp, Ralf (Hrsg)

Kramp, Ralf (Hrsg)

Titel: Kramp, Ralf (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel 3
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abliefern.
    Mittlerweile saßen Oma Zülpe und Kommissar Hetzges beim Abendessen im
Schafbrück
immer an einem Tisch. Oma Zülpe war seit neuestem auch Dauergast, und Dauergastsein verbindet. Oma Zülpe, die trotz Osteoporose, Arthrose und Altersdiabetes enorm schnell stricken konnte, schenkte Hetzges eine Wollmütze mit farbkoordinierten Fäustlingen, obwohl der Frühling zwischenzeitlich mit Macht Einzug gehalten hatte. Als er sich später an der Theke eine Marlboro zwischen die dünnen Männerlippen steckte, reichte sie ihm ein Streichholz.
    »Das ist ein Rauschmörder«, erklärte Kommissar Hetzges beim mittlerweile obligatorisch gewordenen Feierabendbier. »Der tötet wahllos im Blutrausch. So einer macht Fehler. Den kriegen wir in null Komma nichts.«
    Bodycount: 4
    Wieder exakt eine Woche später fand man an der B 257 kurz vor Meisburg einen unter Pädophilieverdacht stehenden Lehrer aus Stadtkyll, erschlagen mit einem 30.000 Jahre alten Lavabrocken.
    »Räumt mal den Krotzen weg, sonst sturbelt noch einer drüber«, sagte der Kommissar. Gleich darauf ordnete er an, dass im
Amtsblatt für die Verbandsgemeinde Daun
, das jeden Mittwoch an alle Haushalte verteilt wurde, ein Warnhinweis für die Bevölkerung ausgegeben werden sollte: Keine Anhalter mitnehmen, sich nicht ansprechen lassen, generell Vorsicht walten lassen!
    Der Lehrer hatte kurz zuvor noch am
Autohaus Neuerburg
getankt. Dort war niemandem etwas aufgefallen.
    »Saß noch jemand in seinem Wagen?«, wollte der Kommissar wissen.
    »Hm«, der Mitarbeiter des Autohauses, der sich noch am ehesten erinnern konnte, kratzte sich am Kopf, »ich glaube nicht. Aber ich meine, Modemagazine und Handarbeitszeugs auf dem Beifahrersitz gesehen zu haben.«
    »Der war schwul«, erklärte Hetzges beim Feierabendbier. »Der Serienmörder hat es auf Schwule abgesehen.«
    »Waren denn die anderen Toten auch schwul?«, fragte Oma Zülpe. Ihre Nadeln klickten. Sie strickte sich gerade einen modischen Wollponcho im Sonia-Rykiel-Stil.
    »Ob sie es waren oder nicht, darauf kommt es nicht an, solange der Täter es nur glaubte.« Hetzges leerte sein Bier. »Der Profiler sagt, unser Serienkiller ist ein Mann, 30 bis 40 Jahre alt, Schnauzbartträger, kinderlos. Den kriegen wir. Das geht so nicht lange weiter.«
    Bodycount: 5 1/2
    »Der Täter, das war keiner von hier«, raunte man Hetzges nach der nächsten Leiche an der Theke zu. »Ganz bestimmt nicht. Das war einer aus Deudesfeld! Oder aus Daun. Oder Gerolstein.«
    Der Kommissar nickte nur. Stumm.
    Unschön war er gewesen, der Fund von Karl-Heinz Gall im Nonnenbusch, einem Waldstück, das zum Staatsforst Salmwald gehörte. Jemand hatte ihn in einen dort abgestellten Häcksler gestopft. In der Mittagspause der Waldarbeiter. Als besonders grausam war zu vermerken, dass Fandango, der deutsche Schäferhundrüde des Toten, ebenfalls verhäckselt worden war.
    »Fassungslosigkeit«, antwortete Ortsbürgermeister Klein, als man ihn fragte, welches Gefühl bei seinen Meisburgern gerade vorherrschte. »Absolute Fassungslosigkeit.«
    Es wurde eine Bürgerwehr eingerichtet. Die Kinder wurden zu Verwandten geschickt. Wer am Ortsrand wohnte, und in Meisburg stand ja im Grunde fast jedes Haus in Ortsrandlage, verrammelte Fenster und Türen. Im Dorf herrschte, selbst an Wochentagen, eine tödliche Stille. Mal abgesehen vom Zilpen der Vögel und dem Hupen vom Bäckerwagen
Clemens
.
    Meisburg war bundesweit zum Synonym für mysteriöse Morde geworden. Wer konnte, fuhr an Meisburg großflächig vorbei. Wer durch Meisburg fahren musste, trat aufs Gas und bremste für niemanden.
    Bodycount: 6 1/2
    Der Tote auf dem Promilleweg, der Direktverbindung vom Dorf zur Theke im
Hotel Schafbrück
, war nicht versehentlich erschossen worden. Der Täter hatte ihn mit Kugeln förmlich durchsiebt, um sicherzugehen, dass er auch wirklich tot war.
    Bei der Waffe handelte es sich um einen 7,5 mm Schweizer Ordonnanz-Revolver. Die Kugeln waren originale Thuner Schwarzpulverpatronen, die schon seit 1972 nicht mehr produziert wurden.
    Das war in mehrerlei Hinsicht in höchstem Maße befremdlich, auch wenn sich später herausstellte, dass der Tote ein selbst auf der Flucht befindlicher Gewaltverbrecher aus Köln-Porz war, der seinen Freunden wohl erzählt hatte, er wolle mal kurz Katastrophentourismus betreiben.
    Er war nicht der einzige Katastrophentourist, das muss leider gesagt werden. Davon profitierten vor allem das
Café Enjoy
, das
Hotel Schafbrück
und die
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