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KR075 - Ich zahlte mit Falschgeld

KR075 - Ich zahlte mit Falschgeld

Titel: KR075 - Ich zahlte mit Falschgeld
Autoren: Delfried Kaufmann
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mich nicht. Ich schlitterte hinter den zweiten Kamin und befand mich auf der gleichen Höhe mit Means. Damit war seine Deckung nichts mehr wert, und er musste die Arme hochnehmen, wenn er nicht von mir oder von Phil abgeschossen werden wollte.
    Ich öffnete eben den Mund, um ihm eine dementsprechende freundliche Einladung hinüberzurufen, als ich ihn über das Dach rennen sah. Es wäre eine Kleinigkeit gewesen, ihn zu erledigen, aber wir erschießen nie einen Mann, dessen Situation hoffnungslos ist. Im Grunde ist ein G-man der Beauftragte des Gerichts. Seine Aufgabe ist es, den Brecher des Gesetzes vor den Richter zu bringen, damit er seine Strafe nach den Buchstaben des Gesetzes erhält. Im Kampfe müssen wir töten und tun es, aber wir vermeiden es, wo es nur eben geht. Wir sind die Jäger, nicht die Vollstrecker der Strafe.
    Darum schoss ich nicht auf Means, als er frei über das Dach rannte. Der elegante Doktor aus Miami war in ihm nicht mehr zu finden. Der Anzug schlotterte um seinen Körper und war schmutzig, und ich sah, dass sein Haar lang und ungepflegt war.
    Auch Phil schoss nicht. Er kam hinter dem Aufbau hervor und machte sich daran, hinter Means herzurennen. Auch ich lief, und wir kamen dem Doktor immer näher.
    Dann war er am Rand des Daches angelangt. Er blieb stehen wie von einer Faust gestoppt. Zwanzig Schritte trennten mich noch von ihm. Ich hielt inne und hob den Colt.
    Er drehte sich langsam um. Ich sah sein verwildertes Gesicht, in dem fremd die vornehme goldene Brille saß. Wenn er jetzt die Rechte mit der Waffe hob, musste ich schießen, wollte ich nicht selber abgeknipst werden, aber er ließ den Arm schlaff hängen.
    »Schluss, William«, sagte ich und wunderte mich, dass meine Stimme rau klang. »Wirf die Kanone fort!«
    Er warf sie, aber er warf sie nach mir, und er stieß dabei einen Fluch aus, den meine Ohren noch nie gehört hatten, und sie waren einiges gewohnt. Ich duckte mich, und als ich mich aufrichtete, war er verschwunden. Ich lief die zwanzig Schritte bis zum Dachrand, und während dieser endlosen zwanzig Schritte wartete ich auf den dumpfen Aufschlag des Körpers, aber der Aufschlag kam nicht.
    Mit mir erreichte der keuchende Phil den Rand des Daches, und jetzt sahen wir beide, warum William Means nicht längst auf dem Pflaster zerschmettert war.
    Von unserem Dach führte, weiß der Teufel, zu welchem Zweck, ein rostiges Drahtseil zu dem Dach des Nachbarschuppens, das tiefer lag. An diesem Seil hangelte der Doktor, schon ein gutes Stück entfernt.
    Was er tat, war vollendeter Blödsinn. Unter ihm standen unsere Leute, die Köpfe in den Nacken gelegt, und ich sah, dass ein halbes Dutzend in das Nachbarlager eindrangen, um ihn in Empfang zu nehmen, falls er wirklich drüben ankam. Dass er es schaffen würde, war nicht fraglich, wenn er nicht freiwillig losließ, denn die Entfernung war nur kurz. Schon wollte ich mich um wenden, um zurückzugehen, als Phil meinen Arm packte. Ich blickte ihn fragend an. Sein Gesicht war kalkweiß und zeigte den Ausdruck maßlosen Entsetzens.
    »Da«, konnte er nur stammeln und streckte den Arm aus, »da… eine… Stromleitung!«
    Ich fuhr herum, und ich gestehe, dass mir der Herzschlag aussetzte und das Blut in den Adern stockte. Kurz vor dem Nachbargebäude, drei oder vier Fuß unter dem Drahtseil, an dem Means hangelte, kreuzte eine Elektrizitätsleitung die Bahn. Sie führte zu einem Zollhaus am Ufer des Piers.
    »Zurück, Means!«, brüllte ich. »Komm zurück! Du stößt an eine Hochspannungsleitung! Zurück!« Er hörte nicht. Er hangelte weiter. Wer wollte wissen, wie es in seinem Kopf aussah. Vielleicht war er nicht mehr richtig gescheit.
    Unsere Leute unten waren durch unser Schreien aufmerksam geworden. Einige rannten fort, aber sicherlich wusste niemand, wo der Strom in dieser Leitung abzustellen war, und bis sie das Elektrizitätswerk erreicht hatten, war es zu spät.
    Neben mir krachte es. Phil schoss aufgerissenen Mundes auf den Stromdraht, ein sinnloses Unterfangen. Kein Mensch auf der Erde schoss so gut, dass er den Draht traf, wenn es nicht der Zufall wollte.
    Fünf, sechs Hangelgriffe noch, dann musste Means den Draht berühren. Ich sah, dass er mit den Knien daran stoßen würde und schrie:
    »Zieh die Beine an, Means! Es kommt eine Hochspannungsleitung !«
    Die Entfernung war nicht so groß, dass er mich nicht hätte verstehen können, aber er reagierte überhaupt nicht auf meine Rufe. Auch die Beamten auf dem Pier schrien jetzt
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