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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
Autoren: Petros Markaris
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Polizeioffizier in Uniform. Er begrüßt Murat und schüttelt auch mir die Hand, Vassiliadis jedoch ignoriert er. Nach den Höflichkeitsfloskeln informiert er Murat.
      »Sie haben den Linienbus ausfindig gemacht«, erklärt mir Murat, während wir auf den Streifenwagen zusteuern. »Maria Chambou ist vor drei Tagen mit dem Nachtbus direkt nach Giresun gereist. In Trabzon sei sie gar nicht gewesen. Die Polizei von Giresun versucht nun, sie zu finden. Vielleicht wissen sie schon mehr, wenn wir dort ankommen.«
      Der höhere Offizier in Uniform verabschiedet sich von uns und reicht uns an den Chauffeur des Streifenwagens weiter. Wir fahren auf einen Boulevard, der genauso gesichtslos und nichtssagend ist wie alle Autostraßen, die Flughäfen und die zugehörigen Städte verbinden. Während wir uns der Stadt nähern, wachsen immer mehr acht- bis zehnstöckige Wohnblöcke aus dem Boden, in derselben schrillen Vielfarbigkeit, die ich schon in Istanbul erlebt habe, wobei hier nicht Pistaziengrün, sondern ein dunkles Ziegelrot vorherrscht.
      Wir blicken alle aus dem Fenster, ein jeder von uns mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Murat mustert die Gegend mit der Neugier des Neuankömmlings, da er noch nie hier gewesen ist; Vassiliadis scheint daran zu denken, was ihm bei der Begegnung mit seiner alten Kinderfrau bevorsteht; und mich treibt die Angst um, nicht rechtzeitig zur Hochzeit zu kommen.
      »Nehmen wir mal an, wir finden sie. Was machen wir dann?«, frage ich Murat, um das Schweigen zu brechen.
      »Das entscheiden wir, wenn wir sie gefunden haben.«
      Der Streifenwagen biegt nach rechts ab und fährt auf einen Boulevard, der parallel zum Meer verläuft. Der Himmel ist grau und dicht bewölkt, die See tiefschwarz, wild und aufgewühlt.
      »Sieht ganz nach Schlechtwetter aus«, sage ich in meiner ganzen Naivität zu Murat.
      Er lacht auf und überbringt meine Vorhersage dem Chauffeur, der sich seinerseits herzlich amüsiert. »Wissen Sie, warum man Schwarzes Meer sagt?«, fragt mich Murat.
      »Nein. Bei uns heißt es von alters her >Pontos Euxeinos<, das gastliche Meer.«
      »Dieses Meer heißt Schwarzes Meer, weil es tatsächlich eine sehr dunkle Farbe hat.«
      »Die alten Griechen nannten es auch schwarz, wenn sie es besänftigen und an seinen gastlichen Ruf erinnern wollten«, erläutert Vassiliadis.
      »Kann sein, aber heute können wir froh sein, dass es schwarz ist«, entgegnet ihm Murat.
      »Wieso?«
      »Weil man so nicht sieht, wie dreckig es ist. Fünf Länder verwenden es als Müllkippe, und der Name passt allen in den Kram. Warum sollte man es sauber halten, wenn es Schwarzes Meer heißt.« Er hält inne und sagt dann ruhig zu mir: »Nehmen Sie mich nicht ernst. Ich bin aus Deutschland, also ein Außenstehender.«
      Der Verkehr auf der Küstenstraße wird dichter, und Murat weist den Chauffeur an, das Martinshorn einzusetzen. pkws und Lastwagen fahren zur Seite, um uns vorbeizulassen. Der Chauffeur sagt etwas zu Murat, was er mir in der Folge übersetzt.
      »Es dauert nicht mehr lange. In einer Stunde sind wir am Ziel.«
      Die Gegend ist dicht besiedelt, vergleichbar mit der Nordküste Kretas. Wir passieren eine Kreisstadt nach der anderen. Das Ziegelrot der Wohnblöcke hat hier überall einen haushohen Sieg über das Grün der Wälder davongetragen.
      »Wir haben sie«, verkündet Murat freudig nach einem Anruf auf seinem Handy. »Sie wohnt in einem Viertel namens Zeytinlik.«
      »Auf Griechisch: Olivenhain«, erläutert mir Vassiliadis.
      »Die Mieter des Hauses haben das örtliche Polizeirevier verständigt. Deshalb haben wir sie gefunden.«
      »Macht man das hier so? Sobald ein Fremder ins Haus kommt, informiert man die Polizei?«, frage ich Murat überrascht. »Bei uns ist so etwas nur während der Diktatur vorgekommen.«
      »Auch bei uns hat es, so heißt es wenigstens, unter Evrens Diktatur angefangen. Diese Gegend wurde in Evrens Regierungszeit besonders hart gemaßregelt, und der Terror steckt den Leuten noch in den Knochen. Man meldet hier lieber einmal etwas zu viel, um seine Ruhe zu haben.«
      Auf der einen Seite liegt das Meer, auf der anderen breiten sich Erdnussfelder aus. Nach ein paar weiteren Kilometern liegt eine Küstenstadt vor uns, hingegossen in eine große Bucht. Dem Hafen gegenüber liegt eine kleine Insel, die an die Thodorou-Inseln vor Chania erinnert, nur dass sie über und über bewaldet ist. Eine Schar
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