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Korsar meiner Träume

Korsar meiner Träume

Titel: Korsar meiner Träume
Autoren: Michelle Beattie
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konnte ihren Vater jedoch nicht einfach so verdammen, denn sie wusste ja nicht, ob er noch lebte und bis zu diesem Tag weiter nach dem Schatz suchte oder ob er auf seinem Weg ums Leben gekommen war. Es war dieser Gedanke, der sie plagte. War er verletzt? Hatte jemand herausgefunden, dass er ein Stück dieser berühmten Karte besaß, und hatte man ihn deshalb umgebracht? Bis sie es genau wusste, würden diese qualvollen Gedanken sie weiter verfolgen. Und da er ihr Vater war, liebte sie ihn, und falls er zurückkäme, würde sie ihm vergeben, obwohl er sie verlassen hatte. Wenn sie ihn doch nur wiedersehen könnte.
    Einst hatte sie dasselbe über Nate gedacht. Aber ihn heute zu sehen, zu wissen, dass er lebte und es nicht für nötig gehalten hatte, wie versprochen zu ihr zurückzukommen, sondern acht Jahre lang weiter nach dem Schatz zu suchen, das schürte ihren Zorn, bis er in ihrem Innern wütete.
    Ihn konnte sie verdammen.
    Claire stand auf und wischte sich die Tränen weg. Sie zuckte zusammen, als ihre Finger die Stelle berührten, wo Sid sie geschlagen hatte. Dann machte sie ein Feuer. Nicht wegen der Wärme, denn die Nacht war mild, sondern um Gesellschaft zu haben. Die Flammen zu füttern gab ihren Händen etwas zu tun, und das knisternde Holz füllte die Stille. Doch als sie das Feuer tanzen und flackern sah, konnte es ihre Gedanken nicht von der Wahrheit ablenken, die sich ebenso schwer auf sie legte, wie die Feuchtigkeit der Luft.
    Nate hatte das fehlende Stück. Zusammen mit dem, was sie ihm als junges Mädchen erzählt hatte, würde sein Wissen ausreichen, um nach dem Schatz zu suchen, den sie schon immer als den ihren betrachtete hatte, oder wenigstens den ihrer Familie. Jetzt konnte man ihn nicht mehr aufhalten.
    Als diese bittere Erkenntnis sie überwältigte, atmete Claire scharf ein. Nur über ihre Leiche.
    Sie sprang auf, kickte etwas Dreck auf das Feuer, packte die wenigen Habseligkeiten in ihre verschlissene Tasche und machte sich auf zur Kneipe. So wie Claire es sah, stahl Nate ihr den Schatz.
    Es war da wohl nur fair, wenn sie sich revanchierte.
     
    »Ich sollte dich einfach hier liegen lassen, bis du dich ausgeschlafen hast«, beschwerte sich Vincent, als er mit wenig Erfolg versuchte, Nate durch die sich windende Straße zu dirigieren. Es war nicht einfach, ihn in irgendeine Richtung zu steuern. Jedenfalls nicht, solange er stärker hin- und herschwankte als ein Schiff, das in einen Hurrikan geraten war.
    Vincent fluchte, als Nate wieder stolperte. Mit gesenkter Stimme brummte er:
    »Ich weiß, du hast gesagt, ich solle einfach mitspielen, ganz gleich, was du auch vorhast, aber könntest du Riesentölpel mir dabei bitte ein wenig helfen?«
    »Du machst das prima«, flüsterte Nate.
    »Bring mich einfach heim, Kumpel«, grölte er betrunken.
    »Mein Haus ist da lang.« Er gestikulierte unbestimmt zum Stadtrand.
    Sie ließen die Kneipen und den Hafen hinter sich. Der Schein der Straßenlampen wurde schwächer, und die Kakophonie des Lärms wehte davon, bis man nur noch wenig mehr als ein dumpfes Murmeln hörte. Nun konnte man die Geräusche der Nacht wahrnehmen, und der sich wiederholende Gesang der Grillen und Frösche war eine Erleichterung nach dem Krach der Kneipe.
    Als Nate nach links ausscherte und sie beinahe beide umschmiss, stemmte Vincent seine Fersen in den Boden.
    »Halte deine verdammten Augen offen!«
    »Das sind sie«, antwortete Nate.
    »Dann benutze sie auch«, knurrte Vincent, als er kräftig an Nates Arm zerrte.
    Er musste seinen Frust gar nicht vortäuschen. Der nagte ohnehin schon unablässig an ihm. Was zum Teufel ging hier vor? Nate hatte gesagt, dass er sich betrinken wolle, aber dann hatte er ziemlich schnell von Schnaps auf Wasser gewechselt. Trotzdem ließ er es sich immer noch im selben Steingutbecher servieren, um weiterhin den Eindruck zu vermitteln, er würde Alkohol trinken. Als Erklärung hatte er bloß gesagt, dass er beobachtet würde. Vincent konnte nur annehmen, dass sie jetzt wohl auch verfolgt wurden. Ansonsten würde es keinen Sinn ergeben, diesen Weg einzuschlagen, jedenfalls nicht, wenn das verdammte Schiff weit hinter ihnen im Hafen dümpelte.
    »Stell dich doch nicht an wie eine Frau«, frotzelte Nate.
    »Sag das noch mal, und ich werd dich umbringen«, drohte ihm Vincent, aber das war bloß eine leere Drohung. Der Riesentölpel konnte nervig und unheimlich stur sein, aber er war ein guter Freund, und Vincent schätzte Freundschaft mehr als alles
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