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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge
Autoren: Sue Grafton
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Garderobe besteht in erster Linie aus Blue jeans und Rollkragenpullovern, wodurch das Packen ein Kinderspiel ist, wenn man erst einmal eine Handvoll Unterhosen hineingeworfen hat.
    Zurück in der Hütte, stellte ich die Schreibmaschine neben das Bett und legte meine wenigen Kleidungsstücke in eine roh zusammengezimmerte Kommode. Ich packte mein Shampoo aus, legte Zahnbürste und Zahnpasta auf den Waschbeckenrand und sah mich zufrieden um. Welch reizendes Zuhause, wenn man von den Schwarzen Witwen absah. Ich testete die Toilettenspülung, die funktionierte, und inspizierte dann die Dusche, die kunstvoll hinter einem Streifen schweren, weißen Pikeestoffs verborgen war, der von einer Metallstange herabhing. Die Duschwanne sah sauber aus, bestand aber aus der Art Material, die mich unwillkürlich auf Zehenspitzen gehen ließ. Besuche im öffentlichen Schwimmbad in meiner Jugend hatten mich gelehrt, vorsichtig zu sein, und meine nackten Füße schreckten immer noch instinktiv vor Klumpen nasser Papiertaschentücher und verrosteten Haarklemmen zurück. Hier waren zwar keine zu sehen, aber ich spürte die geisterhafte Anwesenheit vom Dreck vergangener Zeiten. Ich nahm den gleichen Chlorgeruch wie damals wahr, vermischt mit dem Shampoo eines Fremden. Ich untersuchte die Kaffeemaschine, doch am Stecker schien ein Stift zu fehlen. Außerdem gab es keine Gratispäckchen mit Kaffeepulver, Zucker oder milchfreiem Kaffeeweißer. Das war also der angepriesene Komfort. Ich war dankbar für die Seife.
    Ich kehrte in den Hauptraum zurück und sah mich kurz um. Unter dem Seitenfenster stand eine Sitzgruppe mit einem Holztisch und zwei Stühlen, so angeordnet, daß man auf den Wald hinaussah. Ich nahm die Schreibmaschine und stellte sie auf die Tischplatte. Ich würde mir in der Stadt einen Packen Papier besorgen und einen Copy-Shop ausfindig machen müssen. Heutzutage benutzen die meisten Privatdetektive Computer, aber ich kann mich irgendwie nicht mit ihnen anfreunden. Für meine zuverlässige Smith-Corona brauche ich keinen Stromanschluß, und ich muß mir weder Sorgen über einen Totalabsturz noch über gelöschte Daten machen. Ich zog mir einen Stuhl an den Tisch heran und starrte zum Fenster hinaus in den dürren Baumbestand. Selbst die Nadelbäume sahen schäbig aus. Durch ein Spitzenmuster aus Kiefernnadeln konnte ich ein Stück Zaun sehen, das Cecilias Grundstück von dem dahinterliegenden trennte. Dieser Ortsteil schien aus Ackerland und unerschlossenen Grundstücken zu bestehen, die vielleicht irgendwann einmal bewirtschaftet worden waren. Ich zog einen zerfledderten Schreibblock heraus und machte mir ein paar Notizen.
    Genaugenommen hatte Selma Newquist mich engagiert, damit ich die letzten vier bis sechs Wochen im Leben ihres verstorbenen Mannes rekonstruierte, ausgehend von der Theorie, daß das, was ihn belastet hatte, vermutlich innerhalb dieser Zeitspanne aufgetreten war. Ich halte normalerweise nichts davon, wenn Eheleute einander nachspionieren — insbesondere wenn einer der beiden tot ist — , aber sie schien überzeugt davon zu sein, daß die Antworten für sie aufschlußreich wären. Ich hatte da meine Zweifel. Vielleicht hatte Tom Newquist einfach Finanzprobleme, oder er grübelte darüber nach, wie er im Ruhestand seine Zeit ausfüllen konnte.
    Ich hatte mich bereit erklärt, ihr alle zwei bis drei Tage mündlich Bericht zu erstatten, ergänzt durch eine schriftliche Zusammenfassung. Selma hatte zuerst abgelehnt und mir versichert, daß mündliche Berichte vollkommen ausreichten, doch ich hatte ihr gesagt, daß ich die Schriftform bevorzugte, unter anderem um die gewonnenen Erkenntnisse genauer auszuführen. Ob ich nun etwas herausfand oder nicht — ich wollte, daß sie sah, wie gründlich ich vorging. Für sie war ebenso wichtig zu erfahren, welche Punkte ich nicht erhärten konnte, wie sie eine Aufstellung der Fakten brauchte, die ich im Lauf meiner Nachforschungen sammelte. Bei mündlichen Berichten geht durch die Übermittlung vieles verloren. Die meisten Menschen sind keine geübten Zuhörer. Aufgrund der Komplexität unseres Denkprozesses schaltet der Empfänger ab, verdrängt, vergißt oder mißversteht achtzig Prozent des Gesagten. Nehmen Sie fünfzehn Minuten eines x-beliebigen Gesprächs und versuchen Sie es später zu rekonstruieren, dann wissen Sie, was ich meine. Wenn die Unterhaltung irgendeinen emotionalen Inhalt hat, nimmt die Qualität der behaltenen Informationen noch weiter ab. Ein
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