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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8
Autoren: H. J. Alpers
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Junge – diese wenig befahrene Straße hinunter, bevor das Langstreckenfahren zu teuer wurde. Nebenbei bemerkt, verfügte ich über ein Spesenkonto; ich hatte einer Versammlung von Exporteuren in Atlanta beigewohnt und war einen Tag früher, an einem Donnerstagmorgen, losgefahren. Auf diese Weise konnte ich mir eine gemütliche, bittersüße Fahrt auf dem Pfad der Erinnerung leisten. Ich plante, nicht vor Montagmorgen zur Arbeit zu erscheinen, deshalb hatte ich angerufen, um das mit meinem Chef zu besprechen. Okay, hatte er gesagt, lassen Sie sich Zeit, George. Er war kein schlechter Mensch, der Mr. Noloff, aber fünfundzwanzig Jahre im Verkauf von schwerer Straßenausrüstung an Bananenrepubliken hatten ihm ein gewisses diktatorisches Fluidum auferlegt. Wenn er wieder einmal besonders gebieterisch gewesen war, träumte ich oft davon, ihm adieu zu sagen und eine Arbeit bei der Coastal Trading aufzunehmen, aber es blieben immer noch die Miete, die Abzahlung meines ein Jahr alten Plymouth Horizon, die Alimente und natürlich die Versorgung für das Kind zu bezahlen, und das zu einer Zeit, wo sich der Preis für einen Laib Brot einem Dollar näherte.
    Durch den lockeren Lautsprecher vibrierte die quälende weiße Blues-Gitarre von Johnny Winter. Ich drehte trotzdem lauter, während ich durch die Hügel im Herzen Floridas kreuzte. Orangenplantagen glitten an jeder Seite der zweispurigen, von Schlaglöchern durchzogenen Fahrbahn vorbei. Ein gebogener, rosaroter Streifen späten Nachmittagssonnenlichtes schmolz in den Baumwipfeln, als ich an einem zerfetzten Schild vorüberfuhr, auf dem in Pastellfarben, die einmal leuchtend gewesen waren, zu lesen war: Monster, Bestien, Freaks der Natur, direkt geradeaus, SR 74.
    „Das“, sagte ich über Johnnys melodisches Grölen hinweg, „muß der Welt magerste Straßenrandattraktion sein.“
    Mein Tank war fast leer, und es waren keine offenen Tankstellen in Sicht, aber ich machte mir deshalb keine Sorgen. Seit Jahren hatte es kein erleuchtetes Neonschild mit Geschlossen vor irgendeinem dieser Flohnester gegeben; sie brannten alle darauf, Umsatz zu machen. Ich würde die Nacht in der nächsten Stadt verbringen – was für eine Stadt es auch sein mochte – und mich am Morgen auf die Suche nach Benzin machen.
    Der Horizon fuhr mit Leichtigkeit auf den Parkplatz des Azalea Motels, ein niedriges, rosafarbenes Gebäude mit Rostflecken, die durch die Wände auf den verstärkten Stahlträgern unter dem Beton sichtbar wurden.
    Derlei Etablissements haben selten ein Foyer, und das Azalea bildete keine Ausnahme. In dem engen Büro saß eine dicke Frau vor der arktischen Brise eines Fedders-Ventilators und sah sich Hee-Haw an. Sie konnte mich über die unaufhörlichen Beifallsausbrüche und das Gelächter nicht hören, aber bald ersetzten die gedämpften Klänge süßer Country-Musik die aufgezeichneten Witze, was fast eine Unterhaltung ermöglichte. Ich verhandelte wegen des Zimmerschlüssels, aber sie beließ es nicht dabei.
    „Sie seh’n wie’n Typ aus, der die Freak-Show seh’n will“, sagte sie.
    Es war lange Zeit her, seit ein Erwachsener zuletzt eine Bemerkung über meine Albinokrankheit gemacht hatte. Kindern erkläre ich immer, daß es ein Pigmentmangel ist, der meine Haut so weiß erscheinen läßt, aber diese Frau war kein Kind. Ich starrte sie an – und sie starrte zurück, bis ich meine Augen über das Gästebuch senkte.
    „Ich bin Mrs. Nickerson“, sagte sie, während ich meinen Namen schrieb. „Bump – das is’ mein Mann – is’ gerade nich’ hier.“ Sie betrachtete meinen Koffer, als sei er ein gefährliches Tier.
    „Oh.“ Ich nahm an, sie versuchte, mir klarzumachen, daß sie mir meine Tasche nicht aufs Zimmer tragen würde. „Zeigen Sie mir nur die genaue Richtung.“
    „’s gibt nur eine Richtung.“ Sie deutete zu ihrer Linken.
    „Äh … ich danke Ihnen, Mrs. Nickerson.“ Ich nahm meine Tasche, der Schlüssel baumelte an der freien Hand, und ging wie ein guter Junge wieder in die immer noch drückende Hitze hinaus. Der Sonnenuntergang hatte jetzt eine pfirsichfarbene Welt geschaffen, abgesehen von blutfarbenen Ixora, gelbem Hibiskus und purpurfarbenen Bougainvillea, deren Wurzeln sich im geborstenen, am Motel entlangführenden Pfad dahinschlängelten. Azaleen sah ich keine.
    Das Zimmer war nicht so schlecht, wie ich erwartete: Sperrholzwände, eine akzeptable, nicht zerlumpte Matratze, in sauberes Leinen gehüllt, ein mit einem Pferdekopf
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