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Kopernikus 4

Kopernikus 4

Titel: Kopernikus 4
Autoren: H. J. Alpers
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riesigen Mittelsaal, wo gerade eine Art Kundgebung stattfand. Eine Kundgebung von der politischen Sorte, Sie wissen schon, mit Hochrufen und Sprechchören, Flaggen auf dem Boden, Leuten mit Transparenten und jeder Menge Begeisterung und Aufregung in der Luft. Oben auf dem Podium hielt jemand eine Rede. Die meisten Leute waren Frauen.
    Ich fragte mich, wie der Verband der Bürgerwohlfahrt es wagen konnte, seine Versammlung gleichzeitig mit einer politischen Kundgebung abzuhalten, die ihm die Mitglieder abspenstig machen konnte. Wahrscheinlich hielt die Gruppe mit Mrs. Searles eine zusammengeschrumpfte Versammlung ab, beinahe ganz ohne Mitglieder, wahrscheinlich in einem der oberen Räume.
    Sicherlich gab es eine Seitentür, die nach oben führte.
    Während ich mich noch umsah, drückte mir eine hübsche junge Ordnerin ein gedrucktes Mitteilungsblatt in die Hand und flüsterte: „Hier ist eins von den neuen Heften!“ Als ich es ihr zurückgeben wollte, wich sie zurück. „Oh, Sie können es behalten. Es ist das neue. Alle sollen es haben. Wir haben gerade sechstausend Exemplare gedruckt, um sicherzustellen, daß sie auch reichen.“
    Die große Frau auf dem Podium hatte eine anfeuernde, kraftvolle Rede über irgendwelche Pläne zum Neubau der Slumgegend von Watashaw gehalten. Sie begann jetzt dumpf in meine Gedanken einzudringen, während ich auf die Informationsschrift in meinen Händen blickte.
    „Bürgerwohlfahrts-Verband von Watashaw. Vereinigte Organisation kirchlicher und weltlicher Wohlfahrtsinstitutionen.“ Das stand dort. Darunter begann die Mitgliedschaftsordnung.
    Ich sah auf. Die Rednerin war jetzt mit klarer, fester Stimme und bewußter, kraftvoller Gestik in die Zielgerade ihrer Rede eingeschwenkt: mit einem Appell an den Bürgerstolz aller Einwohner von Watashaw.
    „Mit einer strahlenden, glorreichen Zukunft … womöglich ohne Armut und ohne unversorgte Kranke … womöglich ohne Häßlichkeit, keine Aussichten, die nicht wunderschön wären … die besten Menschen in der bestgeplanten Stadt des Landes … Juwel der Vereinigten Staaten.“
    Sie hielt inne und lehnte sich dann eindringlich nach vorn und schlug bei jedem Wort zur Betonung mit der geballten Faust auf das Rednerpult.
    „ Alles, was wir brauchen, sind neue Mitglieder. Und jetzt geht hinaus und werbt sie an!“
    Jetzt endlich erkannte ich Mrs. Searles, während das nun ausbrechende Getöse mich halb betäubte. Die Menge sang, was die vollen Lungen hergaben: „ Anwerben! Anwerben!“
    Mrs. Searles stand unbewegt am Rednerpult, und hinter ihr saß auf einer Reihe von Stühlen eine Gruppe, die wahrscheinlich den Vorstand bildete. Es waren hauptsächlich Frauen, und die Frauen kamen mir langsam irgendwie bekannt vor, sie sahen ein bißchen wie die Mitglieder des Nähkreises aus.
    Ich brachte meinen Mund an das Ohr der hübschen Ordnerin, während ich, einer Eingebung folgend, die steife Informationsschrift umdrehte. „Wie lange besteht der Verband schon?“ Auf der Rückseite des Heftes war eine Satzung abgedruckt.
    Sie jubelte mit der Menge, und ihre Augen strahlten. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie zwischen den Hochrufen. „Ich bin erst seit zwei Tagen dabei. Ist es nicht wunderbar?“
    Ich ging hinaus in die stille Luft und stieg mit einer Gänsehaut ins Auto. Noch beim Wegfahren konnte ich sie hören. Sie sangen eine Art Vereinslied nach der Melodie von „Wir marschieren durch Georgia“.
    Selbst auf den kurzen Blick, den ich darauf geworfen hatte, sah die Satzung genauso aus wie jene, die wir dem Nähkreis Watashaw gegeben hatten.
    Als ich zurückkam, erzählte ich Caswell nur, daß der Nähkreis seinen Namen geändert habe und daß die Mitgliederzahlen zu wachsen schienen.
     
    Am nächsten Tag, nachdem ich Mrs. Searles angerufen hatte, klebte ich ein paar rote Sternchen für die ersten drei Monate auf meine Grafik. Sie formten eine hübsche Kurve, die mit Erreichen des vierten Monats steiler anzusteigen begann. Den ersten Mitgliederzuwachs hatten sie erreicht, indem sie sich ganz einfach mit allen anderen Wohlfahrtsorganisationen in Watashaw zusammengeschlossen hatten; bei jeder Fusion änderten sie den Namen des Clubs, aber sie behielten immer dieselbe Satzung – die Satzung mit den leuchtenden Versprechungen von Vorteilen, solange immer neue Mitglieder herbeigeschleppt wurden.
    Im fünften Monat hatte der Verband einen Babysitter-Service auf Gegenseitigkeit hinzubekommen und die Schulbehörde dazu gebracht, einen
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