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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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André Glucksmann. Ebenso wie Aly aktiver Achtundsechziger, argumentiert er per se
     gegen die historische Verklärung der Pariser Barrikadenkämpfer, zu denen er selbst gehörte: »Nichts ist unsinniger als zu
     behaupten: Die 68er Generation hat etwas Relevantes getan. Die Generation 68 existierte genau drei Wochen, sie hat sich dann
     zerstreut. Es war eine kurze Erhellung über das 20. Jahrhundert. Mehr nicht.« (Glucksmann, zitiert nach Leinkauf 2008: 21)
     Diesbezüglich könnte von einer Paralleldebatte die Rede sein, da Aly speziell die deutschen, Glucksmann die französischen
     Verhältnisse fokussiert. Tatsächlich aber ist es ein und dieselbe Diskussion, denn weder die Generation noch ihre Guerillas
     haben eine nationale Herkunft.
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Unter Verweis auf das »Unternehmerische Selbst« (Bröckling 2007), das sich zunehmend durch Selbstinszenierung und Selbstenthusiasmierung
     bestimmt sieht, könnte hier vom neuen Guerillero als dem claqueurerischen Selbst in der aufmerksamkeitsökonomischen Gesellschaft
     die Rede sein; man hat gelernt, sich selbst zu beklatschen.
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Zum manipulativen Gebrauch des Applauses in der Kulturgeschichte vgl. Knapp 2007.
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Ordnung ist hier im Sinn von Typus zu verstehen.

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|287| Konsumguerilla im Museum? Die coolhunters: style-Studie
    Birgit Richard
    »Zeigt die echte und krasse Realität der modekranken Tussi! Es ist eine der besten Ausstellungen überhaupt! Coolhunter rock!«
     (Mädchen, 14 Jahre, Punk, Ettlingen)
    Jugendliche und junge Erwachsene sind Seismographen und Trendsetter der Gesellschaft. Ihre kreativen Praxen und ihre spielerischen
     Transformationen von Oberflächen fließen oft unbemerkt in die gesellschaftlichen Ästhetiken ein. Die Schnittstellen zu Kunst
     und Design (Mode, Produktdesign) führen zu einer nachhaltigen Beeinflussung und Veränderung der visuellen Umwelt. Im Handeln
     der Jugendlichen und in ihrem Umgang mit Gegenständen, zum Beispiel in ihrer speziellen Art des Erschließens von neuen medialen
     Gadgets, zeigt sich gesellschaftlicher Wandel. Jugendkulturelle Gegenstände und Medien visualisieren zentrale Problemfelder
     westlicher Konsumgesellschaften.
    Der dialektische Prozess zwischen Entgrenzung und Zerstörung von symbolischen Ordnungen der Gesellschaft und der Herstellung
     einer eigenen Ordnung, die die bestehende transformiert, wurde in der Ausstellung »Coolhunters. Jugendkulturen zwischen Medien
     und Markt« (nähere Angaben siehe www.coolhunters.net) dargestellt. Coolhunters wollte Jugendliche im Spiegel ihrer Symbole
     zeigen, um Aneignungsprozesse anschaulich zu machen, zum Beispiel Destruktion oder Zweckentfremdung (vgl. Diederichsen 1994),
     die die symbolische Ordnung des Alltags durcheinanderwirbeln und die Hauptzeichen der Gesellschaft aus dem Takt bringen.
    Die Ausstellung »Coolhunters« stellte ein Novum im Kontext bisheriger, nicht sehr zahlreicher und meist nicht besonders aussagekräftiger
     Ausstellungen von Jugendkulturen dar. Positive Ausnahmen waren in den achtziger Jahren die Wanderausstellungen »Schock und
     Schöpfung« und daran anschließend ihre lokale Version »Land der Hoffnung. Land der Krise. Jugendkulturen im Ruhrgebiet«. Die
     Ausstellungen zeigten eine Chronologie der Geschichte der Jugendbewegungen und -kulturen von 1900 bis 1980. Eine Fortschreibung
     dieser Chronologie ist nach 2000 nicht mehr |288| möglich, wie sich an der Ausstellung »The Fourth Sex. Adolescent Extremes« 2004 zeigte. Diese war nicht linear aufgebaut und
     konzentrierte sich auf Fotografien, die Szenen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Handlungskontexten von Kunst,
     Freizeit, Schule und Arbeit, von Konsumalltag und medialer Fiktion (Werbung) zeigen.
    Abbildung 1: Coolhunters-Ausstellung im Zentrum für Kunst und Medientechnologie
Karlsruhe
    (Quelle: Foto von Alexander Ruhl)
    »Coolhunters« hatte keinen repräsentativen Anspruch, im Sinne der Entwicklung einer »musealen« Shell-Studie oder einer Typologie
     von Jugendkulturen. Im Zentrum standen Jugendliche mit der Entwicklungsaufgabe, sich in die Gesellschaft zu integrieren und
     Autonomie zu entwickeln. Die fortschreitenden gesellschaftlichen Enttraditionalisierungsdynamiken machen dies zu einem schwierigen
     Projekt. Die Ausstellung »Coolhunters« zeigte auf den verschiedenen europäischen Stationen (Karlsruhe, Wien, Budapest) Bildende
     Kunst (Malerei, Gemälde, Foto und Skulptur, Medienkunst, Interaktive Installationen), elektronische
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