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Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur

Titel: Konsumguerilla - Widerstand gegen Massenkultur
Autoren: Birgit Richard , Alexander Ruhl
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lediglich als Anhänger der Musik Richard Wagners, was dem damit verbundenen
     Selbstverständnis und Pathos in keiner Weise gerecht wird. Eine nicht streng wissenschaftliche, aber unterhaltsame Beschreibung
     der Wagnerianer zur Bayreuther Festspielzeit liefert Georg Diez (2004: 17): »Wagnerianer sind Lemminge. Sie treten in Scharen
     auf, schieben sich den Hügel hoch und stürzen sich gemeinsam in einen Abgrund, den nur sie kennen. Unten warten der trunkene
     Tod, ein wenig Erlösung und sehr viel Musik. Dann rappeln sie sich wieder auf, klopfen sich den Staub von den Kleidern, schreien
     ein bisschen Buh, denn der Meister mit der Mütze hätte das auf der Bühne alles ganz anders inszeniert, verlassen müde und
     zufrieden das Parkett und fahren wieder nach Hause, nach Sindelfingen, Tokio, München oder Nanterre.«
3
Han-Jürgen Weiß (1992: 734) zählt zur Hochkultur neben der klassischen Musik alle Bereiche der so genannten Schönen Künste,
     d.h. die Malerei, die Oper, das Theater, die Bildhauerei sowie die Philosophie. Der Begriff der Hochkultur im Sinne eines
     praktisch nutzlosen, dafür ästhetisch hohen Prädikats kann gar nicht anders als vage sein. Dennoch – oder genau deshalb –
     wird er hier verwendet, weil er ein fließender ist und sowohl positiv wie negativ konnotiert. Spätestens in der zweiten Hälfte
     des 20. Jahrhunderts sieht er sich des Öfteren gesellschaftspolitischer Instrumentalisierung ausgesetzt.
Die Achtundsechziger
lehnten den Begriff als willentlich elitär und gegen die Masse gerichtet ab; in der Diskussion um eine
deutsche Leitkultur
wurde der Begriff noch in jüngster Vergangenheit von reaktionären Zirkeln als polarisierendes Schlagwort benutzt. Noch genauer
     ließe sich mit Gerhard Schulze (2005: 283) sagen, dass es sich im Fall unserer Konsumguerilla weniger um
die Hochkultur
selbst, sondern das sich ihr zugehörig fühlende »Niveaumilieu« handelt, in dem sich Achtundsechziger und Wagnerianer mittlerweile
     problemlos begegnen können: »[…] Man liest überregionale Tageszeitungen, Zeit und Spiegel, Belletristik. Musikalisch dominiert
     die klassische Musik. Auch die Fernsehpräferenzen haben einen hochkulturellen Einschlag. Man sieht bevorzugt Kulturmagazine,
     Dirigentenportraits, Dokumentationen, kunsthistorische Sendungen usw. – alles, was gegenwärtig als Kultur definiert ist.«
4
Lange Zeit undenkbar, übertrug die ARD im lukrativen »Mozartjahr«, am 25.07.2006 um 20.15 Uhr, erstmalig live die Eröffnungsinszenierung
     der Salzburger Festspiele. Dass es dabei nicht allein um
Figaros Hochzeit
und den ästhetischen Genuss derselben ging, mag die Tatsache belegen, dass der sendereigene und massenkompatible Late-Night-Talker
     Harald Schmidt durch den Abend führte und demgemäß, nicht ohne Ironie, als »Opernführer« vorgestellt wurde. So wurde durch
     den bloßen Einsatz einer Gallionsfigur der TV-Unterhaltung ein Hochkulturereignis auf massenhafte Konsumierbarkeit herunter
     gebrochen – oder aber das Fernsehen zur Hochkultur empor gehoben. Vgl. zu Widerstand als sichtbare Sichtbarmachung der Macht
     und nicht verborgener Subversion Bunz 2007.
5
Der Rummel um den Maler und Performancekünstler Jonathan Meese ist ein markantes Beispiel dafür, wie sich ein finanzstarker
     Kunstmarkt und nicht minder seine finanzstarken Konsumenten zum Zwecke der Eigenetikettierung einen zum Anarchen gestempelten
     Künstler zurechtlegen – und als Anti-Star-Star verbrauchen. Vgl. zur medienkulturimmanenten Produktion von Stars, Anti-Stars
     und Anti-Stars-Stars Jacke 2004: 272–300; Jacke 2007b.
6
Als
neu
wird unsere Guerilla hier insofern bezeichnet, als sie bislang als solche nicht erkannt und anerkannt worden ist. Tatsächlich
     aber ist sie schon des längeren aktiv (vgl. Zwischenspiel: »Wagnerianer im Spiegel: Chéreau und Schlingensief zwischen Bayreuth,
     Buh und Bravo«), ohne dass sie es selbst festgestellt hätte, was ihren wahrhaft subversiven Charakter nur nochmals unterstreicht.
7
So lautet etwa das Titel-Thema der März-Ausgabe 2008 des Lifestyle-Magazins
Blond
»Rebellion. Wehr Dich! Die Blond-Anleitung zum modernen Widerstand. Dagegen sein und Spaß dabei!«
8
Der Beitrag ist eine Essenz seines zeitgleich erscheinenden Buches (Aly 2008b), das im deutschsprachigen Feuilleton kontrovers
     rezensiert worden ist. Vgl. bsp. Nutt 2008, Reinecke 2008 und Feddersen 2008. Strittig diskutiert werden augenblicklich auch
     Äußerungen des französischen Philosophen
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