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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns
Autoren: Michael Scharang
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was der allerdings mit einer Handbewegung von sich wies. Ob es in diesem Haus einen Zigarillo gebe, vielleicht auch einen Grappa, fragte Freudensprung, worauf Karem eine Art Servierwagen, der als Tisch diente, hereinrollte, aus der Küche eine Schachtel Zigarillos brachte und drei Flaschen Grappa, eine aus Friaul, zwei aus Trento. Freudensprung entschied sich für den gelben, öligen Grappa aus Friaul, trank aber weder den Schnaps, noch rauchte er einen Zigarillo, sondern fragte Karem, wer den Servierwagen entworfen habe.
    Loser, war die Antwort; in diesem einfachen Möbel, fuhr Karem fort, stecke so viel Planungsaufwand wie im Rest des Hauses, das immerhin von mehreren Menschenentworfen worden sei, von Jenna Vanzetti, Georg Loser und David Sarani als Architekten und, gleichberechtigt, wie Karem betonte, von Zacharias und Karem selbst als Techniker.
    Georg Loser, sagte Freudensprung, habe ihm von dieser Arbeit nie erzählt, auch nicht, daß er hier gewesen sei. Loser, erwiderte Karem, sei nie nach Ägypten gereist und habe ein gutes Argument dafür gehabt: Durch einen kurzen Besuch werde man nicht zum Fachmann. Mit zurückhaltendem Rat aus Berlin aber werde er nicht geizen. Das Konzept, ein Haus als Halbkugel zu erstellen, sei gut, habe Loser geschrieben, aber zu schematisch. Er empfehle, Berechnungen anzustellen über die Bewegung des Wüstensandes, denn er vermute, die Form der Halbkugel lade den Sand ein, es sich auf dem Haus bequem zu machen und dieses statisch zu überfordern.
    Loser habe recht gehabt, sie, die Techniker, seien beschämt gewesen und hätten nach genaueren Studien zu einer Form gefunden, welche die Halbkugel variierte, steiler aufsteigend am Anfang, wodurch die unvermeidlichen Dünen sich zeitweilig ans Haus lehnten und wieder verschwanden, nicht aber auf ihm lasteten. Dadurch sei ein größerer Innenraum entstanden, für Loser wichtig, denn nur in diesem Fall habe er sich an der Arbeit beteiligen wollen.
    Loser, erzählte Karem, stellte in einem Brief die Frage: Gibt es im Inneren eines Gebäudes – ob Wohnhaus, Arbeitsstätte, Kaufhaus – Gegenstände, die sich für längere Zeit als brauchbar erweisen? Seine Antwort: das Regal, auf das Dinge gelegt oder gestellt, der Haken, an den Dinge gehängt werden. Der Platz des Regals und des Hakens ist die Wand; im Raum stehen derArbeitstisch, der Eßtisch, der Verkaufstisch, die Maschine. Diese Überlegung, schrieb Loser weiter, hat nur am Rand mit der Idee des Einfachen oder des Praktischen zu tun. Sie soll vor allem helfen, Geschmack und Geschmacklosigkeit, die beiden Feinde der Kunst, vom Bauen fernzuhalten.
    Er erzähle das, fuhr Karem fort, weil Heinrich neben dem fahrbaren Tisch sitze, den Loser entworfen habe als Beispiel dafür, wie Gegenstände in diesem Haus gestaltet werden könnten: ein Regal in der Höhe und Länge eines Tisches, auf vier Rädern, oben und unten eine Glasplatte. Loser habe betont, daß er von einem fahrbaren Tisch spreche und nicht von einem Servierwagen, und den Tisch für das Atrium entworfen habe, weil es in diesem oben offenen Raum keinen Tisch geben könne mit fixem Platz, denn man suche im Sommer den Schatten, im Winter die Sonne – und fahre mit dem Tisch dorthin, wo man sich wohl fühle.
    Freudensprung schlug vor, daß Karem ihm das Schlafzimmer zeige, er werde sich entkleiden und dann allein an den Tisch setzen, einen Zigarillo rauchen, einen Grappa trinken, sich im Atrium umschauen und bald zu Bett gehen; für ein längeres Gespräch werde es in den nächsten Tagen genug Gelegenheit geben. Karem stand sofort auf, er müsse, sagte er, die Betriebsräume inspizieren, das elektrische System, auf Solartechnik basierend, sei von ihm entwickelt worden, ob es sich bewähre, werde sich zeigen. Für den Notfall habe er ein Diesel-Stromaggregat installiert, ohne Wissen der anderen, die hätten Vertrauen in seine Erfindungen, er nicht.
    Da Freudensprung nicht den Eindruck hatte, Karem werde den Redeschwall beenden, ging er in die Küche,Karem rief ihm nach, er solle geradeaus weitergehen. Er kam in ein Schlafzimmer, warf den Leinenbeutel mit den Briefen neben das Bett, hier, dachte er, seien sie sicher, und er atmete auf, als wäre er einen zentnerschweren Sack losgeworden. Dann wollte er, wie er es, wenn er in ein Hotelzimmer kam, zu tun pflegte, das Sakko ausziehen und über die Sessellehne hängen, doch er trug keins, also zog er das kurzärmelige Hemd aus und hängte es über die Lehne, zog die Schuhe und die Socken
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