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Kommissar Pascha

Kommissar Pascha

Titel: Kommissar Pascha
Autoren: Su Turhan
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Zu bitter?
    Leipold tauschte sein benutztes gegen ein frisches Glas. Insgeheim ärgerte er sich über die Zumutung, Bier in einem Gefäß kosten zu müssen, das wie ein Weinglas geschwungen war. Ein gläsernes Bierkrügchen, dachte er, hätte den Zweck besser und angemessener erfüllt. Seinen Unmut konnte er mit seinen Kollegen nicht teilen, denn Herkamer und Stern hatten sich nicht blicken lassen. Verständnislos schüttelte Leipold den Kopf. Die beiden tranken Bier wie er. Wie konnten sie sich nur eine derartige Gelegenheit entgehen lassen?
    Ganz anders jene Fachleute und Bierliebhaber, die auch am letzten Tag gekommen waren, um sich einen Überblick über die Aktivitäten der Brauereien zu verschaffen. An langen Theken informierten Vertriebsleute über edle, ungewöhnliche Bierkreationen. Familiengeführte Privatbrauereien luden an liebevoll dekorierten Ständen die Konsumenten ein, ihre Hausmarken zu probieren.
    Leipold erstand fünfundzwanzig Gutscheine, die ihn dazu berechtigten, die feilgebotenen Biere zu kosten. Er war ganz in seinem Element. Schließlich kannte er sich mit Bier aus. Zum einen trank er am liebsten Bier, zum anderen beherbergte er zu Hause eine kleine Bibliothek mit Fachbüchern zum Thema und wusste aus eigenen Bemühungen, dass Bierbrauen nicht nur handwerkliches Geschick erforderte. Es gehörte eine gute Portion Gefühl und Erfahrung dazu. Er jedenfalls war als Hobbybrauer kläglich gescheitert und hatte sein Brauereiset nach mehreren Fehlversuchen zum Sperrmüll gefahren. Leipold roch und schlürfte die unterschiedlichsten Sorten. Egal, ob obergärig oder untergärig, in Flaschen gereift oder im Barriquefass, Biobier oder Designerbier. Er entdeckte sogar einen mit Swarovskisteinen geschmückten Stand, an dem Bier in Champagnerflaschen vermarktet wurde. Zwar hatte er für den einen Abend seine Überzeugung gelockert, nur Bier, das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wurde, zu trinken, wollte aber dennoch nicht jeden Unsinn mitmachen. Er empfand sich als modernen Traditionalisten, was Trinken und Essen betraf. Mit Betonung auf Tradition. Und als waschechter Münchner war er stolz auf die in aller Welt geschätzten Bierköstlichkeiten seiner Heimatstadt, wenngleich er wusste, dass es allein in Deutschland über fünftausend Biersorten gab. Die Konkurrenz war groß, im Inland wie im Ausland. Der Engländer drängte mit süffigem Ale auf den Markt. Der Amerikaner dagegen schaffte es bei allen phantasievollen Bemühungen nicht, den Geschmack des bayerischen Biertrinkers zu treffen.
    Gegen dreiundzwanzig Uhr freute sich Leipold mit den anderen rund dreihundert Besuchern auf den Höhepunkt des Abends. Etwas angeschlagen von der Bierverkostung verfolgte er, wie die zwei Veranstalter mit Jeans und heraushängenden Hemden auf die provisorische Bühne hüpften. Abwechselnd reichten sich die zwei, die nach Leipolds Einschätzung keine dreißig Jahre alt waren, das Mikrofon lässig hin und her. Mit launigen Formulierungen machten sie sich dafür stark, das Reinheitsgebot zu lockern, um die Kreativität der deutschen Braumeister nicht unnötig einzuschränken. Die bekennenden Kritiker des Reinheitsgebotes, die aus dem schönen Dresden kamen, kapitulierten schließlich vor den Buhrufen aus dem Publikum, als einer der Störenfriede sich lautstark bemerkbar machte.
    »Ist euch zwei Hampelmännern eigentlich klar, wo ihr seid?«
    Das Publikum lachte auf. Pius Leipold räusperte sich, bevor er aus tiefster Überzeugung weiter seinen Standpunkt verdeutlichte, den allem Anschein nach die meisten Besucher teilten.
    »In Bayern und hier in München haben wir gerne klare Verhältnisse. Wenn wir Bayern Bier trinken, wissen wir, dass nichts anderes drin ist als Malz, Wasser, Hopfen und Hefe. Nennt das Zeug, was ihr da zusammenmischt, wie ihr wollt. Aber
Bier
wird daraus nie und nimmer!«
     
    Jessica Grün hörte den tobenden Applaus aus der Halle, während sie in der abgetrennten Raucherlounge auf ihren Auftritt wartete. Es dauerte einige Minuten, bis die Veranstalter die aufgebrachten Gemüter beruhigt hatten und zur Verkündung der »Biertrinkerin des Jahres« überleiten konnten. Die Jury bestand aus drei Männern sowie drei Frauen und hatte ihre Entscheidung mit Bedacht getroffen. Sie wollte eine Person küren, die tatsächlich Ahnung von Bier hatte und es nicht nur trank. Mehrmals war man mit Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben nicht sonderlich gut weggekommen. So kam der Vorschlag, Jessica
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