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Kommissar Pascha

Kommissar Pascha

Titel: Kommissar Pascha
Autoren: Su Turhan
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triefnasse Jeans ein wenig nach unten. Die Unterhose war schwarz. Mit der hätte er sich ohne weiteres in die Isar wagen können, urteilte der Kommissar. Dann konzentrierte er sich auf das, was ihm ins Auge gestochen war. Die linke Hand des Toten umklammerte den Henkel eines zerbrochenen steinernen Bierkrugs. Zeki kniete nieder, sprach
»Bismillahirrahmanirrahim«
und beäugte das Gefäß. Auf dem Bruchstück erinnerte ein geschnörkeltes Wappen im Retro-Design an die gute alte Zeit. Der erste Buchstabe schien ein B zu sein.
    »Kennt jemand von euch eine Brauerei, die mit B anfängt?«, fragte der Kommissar mit erhobener Stimme.
    Die Kollegen packten gerade die Arbeitsutensilien zusammen. Ein junger Mitarbeiter der Spurensicherung fühlte sich trotzdem angesprochen. Er kam näher und kniete sich zum Kommissar. »Habe mich auch schon gefragt, wie die Bierleiche an den Krug gekommen ist«, sagte er mit kollegialem Timbre in der Stimme, aus der Zeki heraushörte, dass er nach Meinung des jungen Mannes auf der richtigen Fährte war. Er kämpfte mit sich, ob er ihm erklären sollte, für ein Fachgespräch nicht in Stimmung zu sein, als er zusehen musste, wie der Beamte allen Ernstes eine Leberkässemmel hervorzauberte.
    »Hatte kein Mittagessen«, erklärte er, bevor er mit Genuss einen Bissen nahm, der für zwei gereicht hätte.
    Zekis Magensäfte reagierten wie die Fontänen eines Springbrunnens auf den Reiz des wohlduftenden Imbisses. Speichel strömte wasserfallartig in den Mundraum. Er schluckte schwer, ließ sich jedoch nicht anmerken, dass er dem Mann mit der Statur eines Zehnkampfathleten am liebsten das Essen aus der Hand gerissen hätte. Nicht, um es selbst zu essen, dazu wäre er nicht in der Lage gewesen – er hatte mit Allah eine Abmachung. O nein. Sondern, um damit die Fische in der Isar zu füttern. Aus reiner Bosheit, weil der Mann essen durfte und er nicht. Statt seine Gedanken in die Tat umzusetzen, wartete er geduldig, bis er fertiggekaut und heruntergeschluckt hatte.
    »Ich glaube, ich habe das mal auf einem Fest getrunken. War nicht schlecht, wenn es das war«, sagte er schließlich und biss erneut von der Semmel ab.
    »Nicht schlecht«, wiederholte Demirbilek leise. Dann stand er auf und blickte sich um. Die Isar schien kein schlechtes Gewissen zu haben. Wie Funken einer Wunderkerze tanzten die Reflexionen der Sonnenstrahlen auf dem Wasser und beschossen Zekis Netzhaut. Er musste sich anstrengen, um weiter nachzudenken. Was war mit dem Mann passiert? Wollte er mit dem Bierkrug in der Isar schwimmen? War er tatsächlich betrunken? Wenn ja, hatte er so viel intus, dass er sich nicht über Wasser halten konnte?
    Etwa fünfzig Meter vom Ufer entfernt erholte sich Jale allmählich. Isabel kramte aus ihrer riesigen Umhängetasche, in der sie alles aufbewahrte, was eine umsorgende Frau und vorausdenkende Polizistin brauchen konnte, Feuchttücher hervor. Jale nahm zwei von den nach Zitrone duftenden Tüchern und wischte sich Hände sowie Mund sauber. Isabel ahnte, dass etwas nicht stimmte, als sie in Jales dankbares, aber ebenso verstörtes Gesicht blickte.
    »Das hat nichts mit der Leiche zu tun, oder?«, fragte sie rundheraus.
    Jale schniefte, um ihre Verwunderung zu überspielen. Dann antwortete sie mit tonloser Stimme: »Ich bin überfällig.«
    »Wie lange schon?«
    »Keine Ahnung, ein paar Tage.«
    Isabel dachte an ihren Ehemann Peter, der sehnsüchtig darauf wartete, endlich Vater zu werden.
    »Du sagst dem Chef nichts, Isabel. Wahrscheinlich ist es falscher Alarm«, bat Jale eindringlich.
    »Ach was! Natürlich nicht!«, erwiderte Isabel und erklärte sich Jales unnötige Bemerkung mit ihrer augenscheinlichen Nervosität.
    Die zwei Frauen hingen einen Moment lang ihren Gedanken nach. Isabel war vierunddreißig, knapp zehn Jahre älter als Jale. Beide wussten voneinander, dass ein Kind Teil ihrer Lebensplanung war. Beide waren auch der Auffassung, dass die beruflichen Umstände derzeit dagegen sprachen, Mutter zu werden. Beinahe gleichzeitig blickten sie zu Demirbilek hinüber. Jale war seiner Einladung gefolgt, in das ehemalige Zimmer seiner Tochter zu ziehen, bis sie eine bezahlbare Bleibe in München gefunden hatte. Das Schicksal wollte es, dass zur selben Zeit der Sohn ihres Chefs aus Istanbul gekommen war, um für ein Jahr bei ihm zu wohnen und an der Musikakademie zu studieren. Jale und Aydin hatten sich sofort ineinander verliebt. Aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklung hatte Zeki
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