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Kommissar Morry - Ich habe Angst

Kommissar Morry - Ich habe Angst

Titel: Kommissar Morry - Ich habe Angst
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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schon noch einen Platz. Der Zug ist sicher fast leer."
    Es war so, wie er, sagte. Esther Harras geriet in ein Abteil, in dem sie ganz allein war. Sie öffnete beklommen die Tür zum Nachbarcoupe. Auch hier war niemand. Kein Mensch, der diese entsetzliche Angst von ihr genommen hätte. Sie war einsamer als zuvor. Ganz allein mit ihrer Furcht. Sie kauerte sich auf der Bank zusammen. Sie blickte verstört durch die schwarzen Scheiben. Der Wald glitt draußen vorüber. Eine lange dunkle Hecke. Und dann sprang plötzlich jemand auf das Trittbrett des letzten Wagens. Sie hörte deutlich den Aufprall und sah einen geduckten Schatten.
    Gleich nachher wurde die Tür zum Nebenabteil aufgerissen. Sie hörte Schritte und einen keuchenden Atem. Mein Gott, dachte sie entgeistert. Wer ist das? Einer von den Uniformierten? Der Kommissar? Jack Havard? Oder . . .?
    Sie wagte den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Ihr Gesicht wurde weiß vor Entsetzen. Wie gebannt blickte sie auf die Verbindungstür, die ins andere Abteil führte. Die Klinke bewegte sich. Sie sah einen massigen Körper, der sich langsam zu ihr hereinschob. Sie blickte in ein teigiges, verzerrtes Gesicht, in ein paar haßfunkelnde Augen. Es war Alban Lampard. Er kam langsam auf sie zu. Er streckte drohend die Hände vor und weidete sich an ihrer Furcht. Esther Harras schrie gellend auf. Todesfurcht und lähmendes Grauen klang in diesem Schrei mit. Es wird mir genauso ergehen wie Lydia Blomfield, dachte sie mit jäh durcheinander wirbelnden Gedanken. Ich habe genauso wenig eine Chance wie sie. Man wird mich tot zwischen den Schienen finden. Sie spürte die Hände Alban Lampards an ihrem Hals. Sein Gesicht war die Fratze eines Teufels. Er zerrte sie vom Sitz hoch. Er riß die Tür auf und drängte sie gegen das offene Viereck, durch das der Fahrtwind herein heulte.
    Esther Harras spürte, wie der Wahnsinn nach ihr greifen wollte. Sie geriet in den Strudel hemmungsloser Verzweiflung. Sie schrie noch einmal. Schrill und gellend. Sie wehrte sich verzweifelt mit allen Kräften. In diesem Moment ging ein rüttelnder Stoß durch die Wagenschlange. Die Räder kamen kreischend zum Stillstand. Irgend jemand mußte die Notbremse gezogen haben. Der Zug hielt auf offener Strecke.
    Alban Lampard ließ hastig von seinem Opfer ab. Sein Gesicht war plötzlich weiß wie ein Leintuch. Die flackernden Augen traten weit aus den Höhlen. Er sah die Uniformierten, die draußen mit schußbereiten Pistolen auf dem Bahndamm standen. Sie hatten den Wagen umstellt. Sie kamen immer näher. Sie schwangen sich auf die Trittbretter. Ihre Hände griffen nach ihm. Alban Lampard wußte, daß es diesmal kein Entrinnen mehr für ihn gab. Aus den Augen verschwand der funkelnde Haß. Sie erloschen und wurden stumpf. In diesem Moment tauchte Morry draußen auf.
    „Wie gut, daß wir auch noch auf den fahrenden Zug springen konnten", rief er mit jugendlicher Stimme. „Leider erwischten wir einen anderen Wagen. Wir konnten nicht in dieses Abteil gelangen. Da blieb uns nichts anderes mehr übrig, als die Notbremse zu ziehen. Aber ich denke, wir sind doch noch im rechten Moment gekommen."
    Er verstummte und sah seinen Konstablern zu, die Alban Lampard fachmännisch die Handschellen anlegten.
    „Gehen Sie vorsichtig mit ihm um", rief er spöttisch. „Er ist ein feiner Mann. Er war bisher Direktor bei der Continental Versicherung. Mit richtigem Namen heißt er Charles Egerton."

    26

    Die Cops führten ihren Gefangenen die Schienen entlang. Es war nicht weit zur nächsten Station. Die Schaffner vom Nachtdienst machten große Augen, als sie den seltsamen Zug sahen.
    „Gibt es hier einen Wartesaal?" fragte Morry rasch.
    „Jawohl, Sir!"
    „Kann ich Ihr Telefon benützen?"
    „Auch das, Sir!"
    Kommissar Morry ließ den Wartesaal auf sperren und rief dann rasch in London an, um einen Gefängniswagen zu bestellen. Als er kurz nachher in den Warteraum trat, bot sich ihm ein seltsames Bild: An einem langen Tisch saßen zehn Konstabler und in ihrer Mitte kauerte Alban Lampard, den Kopf in den gefesselten Händen vergraben. Ganz hinten in der Ecke aber saßen Jack Havard und Esther Harras und redeten leise miteinander. Sie hielten sich bei den Händen. Sie sahen sich zärtlich in die Augen.
    Morry gab seinen Beamten einen raschen Wink. Sie verdrückten sich daraufhin an den Nebentisch. Nur Alban Lampard blieb auf seinem Stuhl sitzen. Er hatte von dem Umzug gar nichts bemerkt. Er brütete dumpf vor sich hin.
    „Es wird
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