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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod
Autoren: Wolf Haas
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ihn treffe", hat der Brenner geantwortet.
    Aber heute ist der Lungauer zu müde zum Lachen gewesen.
     

17
    Zwei Tage haben sie den Brenner bei der Polizei festgehalten, bis sie ihm die Geschichte geglaubt haben. Vielleicht ist auch ein bißchen Rache dabeigewesen. Daß sie ihn so lange nicht weggelassen haben, weil er die Morde geklärt hat und nicht sie.
    Praktisch es dem Ex-Kollegen ein bißchen zeigen.
    Und wer weiß, wie lange sich die Sache ohne das silberne Armkettchen vom Junior noch hingezogen hätte. Aber Gott sei Dank haben sie das Armkettchen so genau untersucht. Da ist auf der Innenseite LOVE eingraviert gewesen, und das Blut muß doch ein bißchen gespritzt sein, wie der Junior dem Bimbo in der 740er-Garage die Halskette zugezogen hat. Weil in den gravierten Buchstaben haben sie im Kripolabor noch ein bißchen getrocknetes Bimbo-Blut gefunden.
    Jetzt ist der Brenner am Sonntag abend wieder als freier Mann auf der Straße gestanden.
    Er hat sich in die U gesetzt und ist auf die Donauinsel gefahren. Dritter Festtag, und in der Zeitung hat er gelesen, daß an den beiden ersten Tagen schon über eine Million Besucher auf der Insel waren.
    Wie er beim Konferenzzentrum ausgestiegen ist, hat er nur ein paar Schritte machen können, und schon war er in die Menschenmassen eingeschlossen. Das mußt du dir einmal vorstellen: Normalerweise fährst du auf die Insel hinaus, weil du dich auf den zehn Kilometern ein bißchen bewegen willst. Aber beim Inselfest wie die Ölsardinen.
    Die Veranstaltungszelte sind nur fünfzig Meter voneinander entfernt, aber du brauchst eine Stunde, um von einem zum anderen zu kommen. Und unterwegs steigst du fünfmal auf eine Käsekrainer oder in einen Senfpatzen, alle zehn Meter schüttet dir jemand ein Bier über den Kopf, und es kommt dir schon komisch vor, wenn dir einmal kurz niemand auf die Zehen steigt.
    Aber ob du es glaubst oder nicht: Dem Brenner hat das heute getaugt. Die zwei Tage im Untersuchungsgefängnis hat er zwar wesentlich mehr Freiraum gehabt als jetzt auf der berühmten Naherholungsinsel, gar kein Vergleich. Aber irgendwie hat er jetzt die Nähe der Menschen gebraucht.
    Der größte Vorteil war, daß er nicht umfallen hat können.
    Weil beim Donauinselfest stehen dir die Leute überall so nahe, daß du unmöglich hinfallen kannst. Das ist ja andererseits auch das Gefährliche. Weil ein bewußtloser Besoffener soll eigentlich umfallen, das ist ja eine Schutzfunktion des Körpers, und deshalb gibt es immer so viele Tote beim Fest, weil die Bewußtlosen nicht umfallen.
    Der Brenner war aber nicht betrunken, er war nur so müde, weil er die beiden Tage in der Untersuchungszelle nicht geschlafen hat. Jetzt, nicht daß du glaubst, Folter. Obwohl natürlich die Wiener Polizei ein bißchen berühmt ist für gewisse Methoden. Ein bißchen der Wasserkübel. Da studieren die Wiener Polizisten gern die kritischen Folterberichte aus Lateinamerika, und dann probieren sie es auch aus, nicht böse gemeint, sondern mehr aus einer kindlichen Mentalität heraus.
    Aber beim Brenner alles korrekt abgelaufen, da kann ich dich beruhigen. Sogar einen Arzt für seine gebrochene Rippe haben sie kommen lassen. Nicht geschlafen hat er aus einem ganz anderen Grund, praktisch Eigenfolter. Weil er hat nicht aufhören können, immer wieder über die ganze Geschichte nachzudenken.
    Wie der Junior mit den Testamentsfälschungen versucht hat, die Nummer eins im Rettungswesen zu bleiben. Wie sie dann die Gangart verschärft und den Lungauer ausgeschaltet haben.
    Wie ihnen aber immer noch die Irmi lästig geworden ist. Wie der Bimbo seinen Verbündeten, den Stenzl von der Blutbank, für fünf Uhr zu der Kußszene mit der Irmi hinbestellt hat. Und wie er dann eiskalt durch den Stenzl durchgeschossen hat.
    Wie dann der Bimbo so übermütig geworden ist, daß der Junior beschlossen hat, den ganzen Fall zu bereinigen, und dem Bimbo das Goldkettchen zugezogen hat. Und wie er versucht hat, den Brenner und den Rettungsbund und die Kripo gegeneinander auszuspielen, damit gar niemand auf die Idee kommt, ihn selber zu verdächtigen.
    Ich weiß nicht, ist es der Schock gewesen, daß der Brenner nicht hat aufhören können mit dem Nachdenken? Weil wenn dir ein Kopf direkt vor der Nase vorbeizischt, ist auch nicht ganz alltäglich. Oder war es auch noch die Nachwirkung vom Gift im 590er?
    Er hat gehofft, daß er sich auf der Donauinsel, zwischen Hunderttausenden normalen Leuten eingezwickt, schnell wieder
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