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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod
Autoren: Wolf Haas
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Standort. Und das hat bedeutet, wie viele Minuten der Bimbo zum Unfallort braucht. Und wenn der Sanitäter geantwortet hat "Mehr", dann hat es bedeutet, daß er die Wette angenommen hat. Und wenn dann der Bimbo mit seiner Fahrt länger gebraucht hat, dann hat der Sanitäter einen Hunderter vom Bimbo bekommen, und sonst hat er dem Bimbo den Hunderter gezahlt. Aber weil es der Bimbo fast immer geschafft hat, haben die Sanitäter die Wetten immer seltener angenommen. Jetzt hat der Bimbo immer haarsträubendere Zeiten anbieten müssen, damit ihm überhaupt noch ein Sanitäter angebissen hat. Und dann hat der Bimbo natürlich fahren müssen auf Teufel komm raus.
    Ich sage nur: Südtirolerplatz - Taborstraße acht Minuten zur Hauptverkehrszeit. Das ist ein Selbstmordkommando, und jeder Beifahrer, der das einmal mitmacht, schwört sich, daß er nie wieder mit dem Bimbo wettet, nicht aus Angst um den Hunderter, sondern aus Angst um das nackte Beifahrerleben.
    Der Beifahrer vom Bimbo ist an diesem Tag der Hansi Munz gewesen. Montag, das wird der Munz Hansi sein Leben lang nicht vergessen. Nicht weil der Bimbo mit so einem Höllentempo die kilometerlange Gersthofer Straße hinuntergerauscht ist, sondern - aber warte.
    Daß der Bimbo jetzt mit Blaulicht und Sirene so selbstmörderisch Richtung Krankenhaus geteufelt ist, ist nicht daran gelegen, daß er mit dem Hansi Munz gewettet hat. Weil der Hansi Munz war so ein Spießer, der hätte nicht einmal um einen Schilling gewettet. Sondern der Bimbo hat eine Spenderleber aus dem Allgemeinen Krankenhaus holen müssen.
    "Milka!" hat der Hansi Munz auf einmal gebrüllt, wie der Bimbo mit hundertzwanzig die Währinger Straße hinuntergedonnert ist. "Milka!"
    Weil mehr hat er nicht mehr herausgebracht, wie er gesehen hat, daß der Milka-LKW vor dem Spar-Geschäft hält, aber der Bimbo ungebremst auf den Milka-LKW zurauscht. Und obwohl der Hansi Munz gewußt hat, wie empfindlich der Bimbo ist, wenn ihm ein Beifahrer dazwischenredet, hat der Hansi Munz es nicht mehr zurückhalten können und den Bimbo noch schnell gewarnt. Aber vor Schreck hat er nicht mehr herausgebracht als das eine Wort, vielleicht weil man es doch von Kind auf kennt.
    Und ob du es glaubst oder nicht: Der Bimbo ist weder auf den Milka-LKW hinaufgekracht, noch hat er den Wagen im letzten Moment doch noch nach links verrissen, und schon gar nicht hat er gebremst.
    Sondern er ist mit einem breiten Grinsen im Gesicht rechts vom Milka-LKW, also zwischen dem Milka-LKW und der Spar-Filiale über den Gehsteig gerumpelt. Und wenn ein Rettungsauto zwei Meter breit ist, dann sind zwischen dem Milka-LKW und der Spar-Filiale vielleicht zweihundert Zentimeter gewesen, mehr bestimmt nicht, und der Munz Hansi hat es schon richtig gespürt, wie ihm links und rechts an den Schultern ein bißchen Haut abgeschürft wird, also richtig körperlich mit dem Autolack mitgefühlt.
    Aber das muß man dem Bimbo lassen: Er hat den Wagen wirklich elegant zwischen dem Milka-LKW und der Spar-Filiale durchgeschmuggelt, ich weiß nicht wie, aber irgendwie ist es sich ums Arschlecken ausgegangen.
    Der Hansi Munz natürlich Seufzer der Erleichterung. Weil es ist nicht nur der Lackschaden gewesen, warum ihm vorgekommen ist, daß ihm die Gänsehaut von den Oberarmen blättert. Es ist mehr noch das Gefühl gewesen, was der Chef mit ihnen machen wird, wenn sie mit einem Sturz nach Hause kommen.
    "Der Junior zieht uns die Haut ab, wenn wir den neuen 740er schon wieder zusammenhauen."
    "Haut ja keiner was zusammen", hat der Bimbo immer noch über seine Aktion gegrinst, wie er schon den Währinger Gürtel gegen die Einbahn hinaufgedüst ist. Dreispurig sind ihnen die Geisterfahrer entgegengekommen. Aber auf der richtigen Gürtelspur drüben einfach zu umständliche Zufahrt zum AKH.
    "Und was hättest du getan, wenn beim Milka-Laster die Tür aufgegangen wäre?"
    "Den Kopf eingezogen."
    "Du spinnst wirklich."
    "Es geht um die Spenderleber, Munzi."
    "Wenn du so weiterfährst, können wir bald unsere eigenen Organe spenden. Was hättest du getan, wenn jemand aus der Spar-Filiale herausgekommen wäre?"
    "Ist ja keiner herausgekommen."
    "Aber wenn!"
    "Der hätte doch ein Glück gehabt. Wenn du heute unter ein Auto kommst, kannst du von Glück reden, wenn es ausgerechnet die Rettung ist. Den hätten wir schon wieder auf die Beine gestellt."
    "Du hast vielleicht Nerven."
    "Geh in Pension, wenn du keine Nerven hast. Rettungsfahren ist kein Kindergeburtstag." Der Hansi
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