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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod
Autoren: Wolf Haas
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normalisiert. Er hat sich von einem Veranstaltungszelt zum anderen weiterschieben lassen. Konzerte, Theater, wo es ihn gerade hinverschlagen hat, hat er zugeschaut, aber richtig wahrgenommen hat er nichts. Außer den Hunderten Kreuzrettungs- und Rettungsbundwägen, die überall einsatzbereit gestanden sind und immer wieder mit Blaulicht durch die Leute gepflügt sind. Aber keiner seiner Kollegen hat ihn in der Masse erkannt.
    Gegen Mitternacht ist als Schluß- und Höhepunkt ein Wiener Rocksänger aufgetreten, und auf einmal hat der Brenner gewußt, an wen ihn der fette Buttinger die ganze Zeit so erinnert hat.
    Der Brenner hat aber nicht sehr konzentriert zugehört. Er hat sich einfach von den Menschenmassen ziellos durch die Gegend schieben lassen. Obwohl ich sagen muß, da muß ihn sein Gefühl ein bißchen getäuscht haben. So ziellos kann es auch wieder nicht gewesen sein. Ob da nicht doch auch der Wille vom Brenner ein bißchen die Menschenmassen beeinflußt hat, daß er auf einmal direkt vor dem Rettungsbundzelt gestanden ist.
    Daß er auf einmal Aug in Aug mit dem Stenzl gestanden ist.
    Der Stenzl hat den Brenner angestarrt, und der Brenner hat den Stenzl angestarrt. Aus höchstens zwei Metern Entfernung.
    Aber keiner hat ein Wort gesagt. Nicht einmal ein Zeichen des Erkennens. Und ich bin mir heute noch nicht sicher, ob der Stenzl den Brenner gesehen hat oder nicht. Weil mitten in so einer Menschenmasse kannst du ja deinen besten Freund aus zwei Metern Entfernung übersehen.
    Und der beste Freund vom Stenzl ist der Brenner natürlich sowieso nicht gewesen. Auch wenn der Brenner den Mord an seinem Bruder aufgeklärt hat. Auch wenn der Stenzl mittlerweile gewußt hat, daß er den Brenner falsch verdächtigt hat. Aber wer läßt sich schon gern einen Tag lang mit drei Betonmännern in den eigenen Keller sperren.
    Obwohl es dem Rettungsbund-Chef bestimmt nicht geschadet hat, im Gegenteil. Er hat eher ausgesehen, als wäre er sicher, daß er jetzt endgültig die Nummer eins im Rettungswesen ist.
    Triumphierend wie der reinste Rettungsadmiral ist er mitten in dem Meer von Besoffenen gestanden und hat den Brenner angestarrt.
    Der Brenner hat überlegt, was er zu ihm sagen soll.
    Gut, daß Sie mich von den Watzek-Arbeitern zusammenschlagen haben lassen, könnte ich sagen, hat er gedacht.
    Aber der Brenner war immer noch unsicher, ob der Rettungsbündler ihn überhaupt sieht.
    Wenn Ihre Leute mich nicht in den Kreuzrettungshof geliefert hätten, dann hätte mich der Junior nicht zum Strafdienst eingeteilt, könnte ich sagen. Dann hätte ich die Klara nicht getroffen. Das war meine Freundin im Puntigamer Gymnasium, die mir einmal eine Kassette aufgenommen hat.
    Aber das erzähle ich ihm lieber nicht, hat sich der Brenner gesagt. Er war immer noch nicht sicher, ob der Stenzl ihn sieht.
    Gut, daß Ihre Leute mich zusammengeschlagen haben, sonst hätte der kleine Berti nicht nachgeforscht, wer mich zusammengeschlagen hat, könnte ich sagen, hat der Brenner überlegt. Dann hätte ich den Berti nicht im
Golden Heart
gesucht. Dann hätte mir die Angelika nicht vom Lungauer erzählt. Und dann wüßten wir heute noch nicht, daß der Junior Ihren Bruder und die Irmi und den Bimbo auf dem Gewissen hat.
    So fange ich an, hat der Brenner beschlossen.
    Aber im selben Moment hat der Stenzl auf einmal wie ein Irrer losgebrüllt.
    Das hat allerdings nur einem Fixer gegolten, der auf eine Rettungsbundstoßstange gekotzt hat, und dann ist der Brenner schon wieder von der Masse weitergetrieben worden, und er hat noch ein bißchen dem fetten Buttinger bei seinem Konzert zugehört.
    Nach dem Konzert sind die Leute langsam weniger geworden, und der Brenner hat sich zu den Tonnen Coladosen und Bierbechern und Kartontellern und Hundescheiße neben die Besoffenen ins Gras gelegt.
    Aufgewacht ist er erst, wie am frühen Morgen die Reinigungsmaschinen den Mist von der Insel geputzt haben. Er hat zugeschaut, wie die Arbeiter den Müll eingesammelt und in die orangen Müllwagen geworfen haben. Und er hat sich gewundert, wie leicht die Bürstenfahrzeuge die Asphaltwege saubergeschrubbt haben.
    Ein Müllmann hat vor seiner Nase eine
Sonntags-Kronenzeitung
mit einem Eisenpickel aufgespießt und in seinen schwarzen Müllsack gestopft. Es war die Ausgabe, in der der Brenner gestern gelesen hat, daß die Kreuzrettung noch diese Woche einen neuen Chef bekommt, und zwar den bisherigen Chef der Vorarlberger Kreuzrettung, praktisch völliger
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