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Kolonien der Liebe

Kolonien der Liebe

Titel: Kolonien der Liebe
Autoren: Elke Heidenreich
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stand meine Mutter und schrie: «Was machen Sie da mit meiner Sonja?», und James Dean drehte sich um und sagte: «Das ist nicht Ihre Sonja, Madame, das ist jetzt meine Sonja.» Solche Träume machten mich glücklich, aber Irma träumte anders. Sie war nicht mehr zufrieden nur mit ihrer Mutter, sie wollte immer mehr über ihren Vater wissen, und eines Tages, als wir Pfannkuchen mit Zucker und Zimt buken, sagte Irmas Mutter leichthin: «Also, dein Vater war ein bißchen so wie James Dean.
    Etwas größer, aber so die Art. Wir waren nur einen Abend zusammen, und danach habe ich ihn nie wiedergesehen.» Sie stand am Herd, drehte sich um und hatte ganz dunkle Augen:
    «Irma», sagte sie ich versprech dir, daß ich dir das alles ganz genau erzähle. Aber noch nicht jetzt. Bitte.» Und wir sagten nichts mehr und würgten an den Pfannkuchen herum, oh, hätte sie doch nicht gesagt, der Vater sei ihm ähnlich gewesen...
    In Filmzeitungen verfolgten wir die Affären und Liebesgeschichten von James Dean, die Dreharbeiten von «... denn sie wissen nicht, was sie tun» und «Giganten». Wir versuchten, wie Natalie Wood, Liz Taylor oder Pier Angeli auszusehen, und wir gingen mehr als zehnmal in «Jenseits von Eden» und kannten jeden Satz.
    Stundenlang spielten wir mit verteilten Rollen die Szenen aus dem Film nach, die uns am tiefsten beeindruckt hatten - wie Cal dem Vater ein Geschenk macht, und er nimmt es nicht an, wie Cal zum erstenmal die Mutter trifft und sie ihn fragt: «Was willst du eigentlich?» Das wissen Mütter ja wohl nie, die Mutter spielte ich, da kannte ich mich aus, und ich spielte auch Cal und lehnte mit mürrischem Gesicht, die Schultern hochgezogen, an der Wand, schräg von unten nach oben guckend, ein zaghaftes Grinsen im Gesicht. Irma war Abra und der Vater, der über Cal sagte: «Ich verstehe ihn nicht, ich habe ihn nie verstanden», und dazu setzte ich mein schmerzlichstes Stirnrunzeln auf und knurrte: «Hamilton, bestellen Sie meiner Mutter, daß ich sie hasse.» Ich war auch Aron, der gute Bruder, obwohl mir der nicht so lag, aber wir brauchten ihn für die Szene, in der er Abra-Irma erzählt, daß seine Mutter gleich nach der Geburt gestorben war, und Irma hauchte mit schmelzender Stimme: «Es muß furchtbar sein, wenn man keine Mutter gehabt hat.» - «Nein», sagte ich, «es muß toll sein.
    Es ist furchtbar, wenn man eine hat.» Und Irma fing an zu weinen und sagte: «Das gehört nicht zum Film, und du weißt gar nicht, wie furchtbar es ist, nie einen Vater gehabt zu haben.» Unsere Lieblingsszene war die Schlußszene, Abra und Cal am Sterbebett des Vaters, der noch im letzten Moment endlich vernünftig wird und merkt, was er an seinem Sohn Cal hat - ich hatte da in bezug auf meine Mutter nur wenig Hoffnung. Den Vater mußte Katze Pepi spielen und ganz still im Körbchen liegen, und wir beide knieten davor und umarmten uns und schluchzten, und Irma-Abra sagte: «Vielleicht ist die Liebe ja so, wie Aron sie sieht, aber es muß doch auch noch mehr dran sein...», und ich stand dann auf, lehnte mich wieder an die Wand, so wie dann auch Jett Rink später in «Giganten» lehnen sollte, und sagte düster: «Ich brauche überhaupt keine Liebe mehr, es kommt nichts dabei heraus. Wozu die Aufregung? Es lohnt sich nicht.»
    Meist heulten wir dann beide ein bißchen, und Irma sprach über ihren Vater und ich über meine Mutter, und schließlich mußte ich nach Hause, wo meine Mutter mit der Lehrerin in der Küche saß, Reibekuchen aß und sagte: «Ach, kommt das Fräulein auch noch mal? Ich möchte wissen, wo du dich neuerdings dauernd rumtreibst, du wirst noch genau wie der Alte», und ich zitierte Cal und sagte bitter: «Du hast recht, ich bin schlecht, das weiß ich schon lange.» Meine Mutter war verblüfft und beschwerte sich bei der Lehrerin, sie würde aus mir nicht mehr schlau, und die Lehrerin meinte, das sei nur die Pubertät und das würde sich geben. An mir prallte alles ab, seit ich wußte, daß es in anderen Familien genauso schlimm zuging wie bei uns, seit ich wußte, daß es James Dean gab.
    Irmas Mutter machte sich Sorgen, weil Irma so in James Dean verliebt war, noch mehr als ich. Ich hatte irgendwie das Gefühl, James Dean zu SEIN - zu mir sagte auch dauernd jemand «Wie du wieder aussiehst!» oder «Ich versteh dich einfach nicht» oder
    «Mit dir hat man nur Ärger», aber Irma hatte angefangen, ihr Leben geradezu nach James Dean auszurichten. Sie schrieb ihm täglich Briefe, sie begann
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