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Kolonien der Liebe

Kolonien der Liebe

Titel: Kolonien der Liebe
Autoren: Elke Heidenreich
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kaufte die rosa Ballerinas mit Schleife in Größe 38. Lisa hatte Größe 38, und Marietta hatte ungefähr Lisas Figur, die würden ihr sicher passen. Und wenn nicht, davon ginge die Welt nicht unter, irgendeiner Frau paßten sie schon.
    Vom Käsestand aus winkte ihn ein dicker Käsehändler mit einem Messer heran, auf dessen Spitze ein Stück Käse zum Probieren steckte. Richard schlenderte näher, nahm es, weil er mit nachdrücklichem Kopfnicken dazu aufgefordert wurde, kaufte aber nichts. Er zuckte bedauernd mit den Schultern, «Tourist», sagte er, «Hotel». Der Käsehändler lachte und winkte ab, schon gut, non fa niente, guter Käse, formaggio buono, nostrano, von hier. Seine Frau war schmal und zartgliedrig, wie schliefen die beiden bloß miteinander? Er hatte mit Lisa sicher seit einem Jahr nicht mehr geschlafen. Er hatte immer Angst davor gehabt, sie würde plötzlich doch noch schwanger werden. So viele Frauen versuchten ihre ihnen entgleitenden Männer zu halten, indem sie auf einmal ein Kind bekamen. Er war auf der Hut gewesen und ihr ausgewichen, und sie war immer stiller geworden und hatte irgendwann das zweite Kopfkissen aus dem Schlafzimmer in sein Arbeitszimmer gelegt, wo er seit Monaten allein schlief. Es wurde nie geredet über solche Dinge, sie ereigneten sich einfach.
    Am Stand mit den Werkzeugen blieb er lange stehen. Ein alter Mann saß da und rauchte und hatte immer noch ein Bild von Johannes XXIII. dort hängen, dabei waren seitdem schon zwei neue Päpste gewählt worden. Zwei? Einer? Er kannte sich da nicht so aus, erinnerte sich nur daran, wie Lisa, als der jetzige Papst in Kolumbien landete, auf den Fernseher gezeigt hatte: «Sieh mal, wie sein Jumbo-Jet heißt!» Er hieß «Hirte I» - solche Sachen fielen ihr auf. Marietta war ganz anders. Quirlig, lustig, ein wenig unbedarft, Marietta ließ sich die Welt von ihm zeigen, so wie er sie sah. Sie war gerade Anfang Zwanzig, und sie konnte noch über alles staunen. Das machte ihm Spaß, er fühlte sich jung mit ihr, jünger als Vierzig jedenfalls.
    Die Werkzeuge waren von guter Qualität und phantastisch billig.
    Er suchte sich einen Schraubenschlüssel aus, den er schon lange brauchte. «Wie heißt das auf italienisch?» fragte er den Mann, und der antwortete: «Inghlese. Questo e un inghlese.» - «Francese!»
    sagte Richard. «Franzose!» -«Inghlese!» wiederholte der Mann, Engländer, und sie lachten beide. Er kaufte den Schraubenschlüssel und schlenderte weiter zu einem Stand mit einer hübschen jungen Frau in einem grauen Kittel und einem grünen Schal. Er lächelte ihr zu und sah dann ihren schönen Hund, einen Hund mit hellen Augen. «Schönes Tier», wollte er sagen, sah hoch zu ihr, und da stand sie und trug einen blauen Schal. Das gab's doch nicht, sie konnte doch nicht in drei Sekunden - er sah die andere, merkte, daß es Zwillinge waren und lachte verblüfft. Sie lachten ebenfalls, und er ging weiter und fand an einem Stand genau die Jeansjacke mit weißem Lammfellfutter, die er im Haus im Schrank noch ganz neu und mit Preisschild hatte liegen sehen.
    So eine wollte er schon lange haben, er würde sie sich hier kaufen, die im Schrank gehörte sicher Ute oder Walter. Der kleine dicke Händler sprach ein paar Worte deutsch. «Ich Deutschland», rief er,
    «schön, Baden-Baden, fickfick, Puff gut, Baden-Baden, teuer teuer!» Richard bestätigte ihm, daß Baden-Baden nun wirklich besonders teuer wäre, er hätte nach Karlsruhe in den Puff fahren sollen, meno caro, weniger teuer, Baden-Baden casino, therme, cam carol «Sisi», nickte der Kleine, «Puff caro, fickfick caro, caro bello.» Er machte ihm für die Jacke einen guten Preis, und von dem, was er gespart hatte, kaufte Richard am Stand nebenan, wo es diese gräßlichen Telefone aus Onyx gab, eine geschliffene Glaskette für Marietta. Er ertappte sich bei dem Gedanken an Lisas Schmuck - die alte Goldkette seiner Mutter, die Schweizer Armbanduhr, die Ringe, das Granatarmband - wer würde das jetzt tragen? Marietta? Lisas Schwester? O Gott, was ihm noch alles bevorstand über die üblichen Formalitäten hinaus! Ihre Kleider, ihre Schuhe, ihre Bücher, Bilder, Photos, ihre persönlichen Papiere
    - was machte man damit? Ein Mensch verfaulte und verfiel, aber seine Dinge blieben.
    Richard ging in ein Restaurant und trank an der Bar einen Espresso und einen Grappa. Der Kellner sah affig und eingebildet aus, und es gab keine Speisekarte, sonst hätte er hier vielleicht eine
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