Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri
Autoren: Jürgen Benvenuti
Vom Netzwerk:
eine Analyse.“
    Berger lehnte sich zurück und lächelte. „Beruhigen Sie sich, Schrempf, Sie haben Recht.“
    â€žDarf ich eine Frage stellen?“
    â€žFragen Sie.“
    â€žDer Abzug.“ Schrempf wartete und blickte Berger an. Dieser bedeutete ihm fortzufahren. „Nun“, sagte Schrempf, „Sie wissen, dass er seit gestern defekt ist.“
    â€žSie meinen, seit diesem Experiment, das Sie gestern Abend durchgeführt haben.“
    â€žEs war eine wissenschaftliche Untersuchung, kein Experiment, wie Sie das nennen! Sie wissen, dass diese Untersuchungen notwendig sind, und Sie wissen auch, dass ich sie außerhalb der normalen Arbeitszeiten durchführen muss.“
    Berger hob in gespieltem Tadel den Zeigefinger. „Schrempf, jetzt haben Sie mich das zweite Mal erwischt. Natürlich haben Sie Recht.“
    â€žWarum wurde der Abzug nicht repariert?“
    Berger erhob sich, ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf die vordere Kante. „Ich hätte den Abzug selbst repariert“, sagte Berger, „heute Abend, oder spätestens morgen in der Früh.“
    â€žSo etwas können Sie?“
    â€žMan kann alles, wenn man es nur wirklich will, Schrempf, merken Sie sich das.“
    Schrempf nickte und starrte auf seine Fingernägel. Er wusste, dass Berger sich etwas auf seine handwerklichen Fähigkeiten einbildete, und wahrscheinlich war er durchaus in der Lage, den Abzug zu reparieren, aber Schrempf hegte den Verdacht, dass Berger einfach zu geizig war, die Wartungsfirma kommen zu lassen, die ihm für eine zehnminütige Arbeit eine Rechnung über eine vierstellige Summe schicken würde.
    â€žKommen Sie“, sagte Berger, deutete auf die Terrasse und trat hinaus ins gleißende Sonnenlicht. Schrempf erhob sich von seinem Sessel, massierte sich den mageren Hintern und ging ihm nach.
    Berger lehnte sich ans Geländer und reckte sein Gesicht mit zusammengekniffenen Augen dem strahlend blauen Himmel entgegen.
    Schrempf stellte sich neben ihn und fragte: „Was ist, wenn er sich an die Medien wendet?“
    Berger senkte den Kopf, öffnete die Augen ein wenig und grinste verächtlich. „Dieser Duckmäuser? Sie hätten ihn sehen sollen, wie er vor mir gestanden hat, mit tränenden Augen und roten Flecken im Gesicht. Ein Waschlappen. Ein Feigling, wenn ich je einen gesehen habe. Was sollte er übrigens den Medien schon groß erzählen? Dass durch seine Schuld eine immens teure Zentrifuge zerstört wurde und mit ihr die halbe Laboreinrichtung?“ Er zupfte seine Manschetten zurecht. „Baumgartner würde sich nur zum Gespött machen. Ein defekter Abzug? Wen zur Hölle interessiert das?“ Er wandte sein Gesicht wieder der Sonne zu und lächelte selbstzufrieden in den Himmel. Er fragte sich, ob es in Moskau auch so warm war im Sommer.
    Er fuhr sich übers Gesicht, drehte sich um und warf einen Blick auf die Rosen im Saranhaus. Die Rosen, die alle gleich aussahen.Aber Berger wusste, dass es eine unter ihnen gab, die anders war, speziell, etwas ganz Besonderes. Da, in der dritten Reihe von vorne, da war sie. Er hatte ein schmales Stück weißen Stoffes um den Stiel gebunden, kaum mehr als ein Faden, aber die einzige Möglichkeit, sie ohne eingehende Analysen von den anderen Blumen unterscheiden zu können.
    â€žIch bin nach wie vor der Meinung, wir hätten eine Genehmigung einholen sollen“, sagte Schrempf, der sich neben Berger gestellt hatte und nun ebenfalls die Rosen betrachtete, die in ihrer rotblühenden Pracht seltsam künstlich in dem Glashaus wirkten. „Ich denke, es wäre einfach …“
    â€žDenken Sie nicht“, sagte Berger, „dabei ist noch nie etwas Gescheites herausgekommen. Überlassen Sie das Denken mir. Die nächste Rosenlieferung trifft morgen ein, in wenigen Wochen ist die Produktion verkauft und dann verfügen wir endlich über genügend Kapital, um uns in Rumänien nach einer kleinen Fabrik und einem großen, großen Feld umzusehen.“
    â€žWir?“, fragte Schrempf. „Heißt das, wir zwei?“
    Berger legte seinen Arm um Schrempfs Schulter und zog ihn an sich. „Nein“, sagte er, „nicht wir zwei.“ Er deutete mit dem Kinn auf das Gewächshaus. „Wir drei. Sie, ich und die Rose Nummer eins.“

VIER
    Karl Michael Baumgartner stieß die Tür des
Schikaneder
auf, stellte sich an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher