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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition)
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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verloren.«
    »Und zu allem
Überfluss geht Ihre Tochter mit einem Spanier«, fasste ich zusammen.
    »Können Sie nicht
mit ihr reden, von Frau zu Frau? Vielleicht kommt sie zur Vernunft. Der Lehrer
von heute Morgen, warum nimmt sie nicht den? Ein Lehrer, das ist doch schon mal
was.«
    »Ich kenne Ihre
Tochter kaum.«
    »Sie würden mir
sehr helfen.«
    »Ich weiß nicht,
ob man anderen in Herzensangelegenheiten raten kann.«
    »Können Sie es
nicht wenigstens versuchen?« Ihre Stimme klang verzweifelt, und nicht zum
ersten Mal dachte ich über die Lebensgeschichte dieser Frau nach, die
anscheinend aus besseren Verhältnissen kam, als ihr Mann sie ihr bieten konnte.
Auf der Suche nach einer passenden Entgegnung starrte ich auf die hässlichen
Vorhänge.
    Als es an der
Haustür klingelte, atmete ich erleichtert auf. Automatisch erhob ich mich,
betrat die Toilette und öffnete das Fenster. »Wer ist da?«, rief ich aus dem
Klofenster.
    »Van Diecken!«,
antwortete die volltönende Stimme meines Chefs.
    Irritiert
betätigte ich den Türsummer.
    »Schwester
Gerlach! Es tut mir leid, dass ich zu so später Stunde noch störe!« Voller Elan
kam Superintendent van Diecken, ein großer Mann in den Vierzigern, die Treppe
herauf. »Darf ich hereinkommen?«
    »Ja, bitte«, sagte
ich in größter Verlegenheit und versuchte, die abgestoßenen Stellen an der
Flurwand mit meinem Körper zu verdecken.
    Doch van Diecken
achtete gar nicht auf seine Umgebung. »Ich habe es vorhin erfahren! Schwester
Käthe rief mich an und teilte mir mit, dass Pastor Hanning ganz plötzlich
verstorben ist.« Seine Präsenz füllte den Korridor.
    Meine Nachbarin
warf einen verschreckten Blick auf den unerwarteten Besucher. Vermutlich hatte
sie erst jetzt vom Tod des Pastors erfahren.
    »Das ist Frau
Jankewicz«, stellte ich sie meinem Chef vor, »aus der unteren Wohnung.«
    »Ach, Sie haben ja
eine Familie aufgenommen«, erinnerte sich der Superintendent. »Recht so,
Schwester Gerlach! – Gastfrei zu sein vergesst nicht! Denn dadurch haben einige
ohne ihr Wissen Engel beherbergt!«, zitierte er einen Vers aus der Bibel. Dann
wandte er sich an die schmale Frau: »Schön, Sie kennenzulernen, auch wenn die
Umstände traurig sind!«
    Frau Jankewicz sah
nun völlig eingeschüchtert aus. Mit gesenktem Kopf schlüpfte sie an uns vorbei,
murmelte »Wiedersehen« und verschwand im Treppenhaus.
    Van Diecken
steuerte das Wohnzimmer an und nahm unaufgefordert auf einem Sessel Platz. »Wie
geht es Ihnen nun, Schwester Gerlach? Ich hörte, Sie waren dabei, als Schwester
Käthe den Pastor fand?«
    Ich nickte. »Das
war eine ganz schreckliche Situation. Und so unerwartet.«
    »Es ist für uns
alle ein schlimmer Verlust. Sie in der Gemeinde trifft es natürlich ganz
besonders. Ich habe Bruder Kruse gebeten, am morgigen Ostermontag die Predigt
zu übernehmen.«
    Mir fiel noch
etwas ein. »Wissen Sie, was jetzt mit der alten Frau Hanning passiert? Sie kann
nicht alleine bleiben, besonders nicht über Nacht.«
    »Sie zieht bis auf
Weiteres zu den Schwestern. Tabea kümmert sich um sie, bis eine andere Lösung
gefunden ist.«
    »Meinen Sie damit
ein Altenheim?«
    »Wahrscheinlich
ist das die einzige Möglichkeit.« Van Diecken seufzte leise. »Ich möchte Sie
übrigens bitten, die Ansprache bei der Beerdigung zu halten.«
    »Mich?«, fragte
ich erschrocken. »Ich bin doch erst seit Kurzem in der Gemeinde!«
    »Sie werden das
schon richtig machen. Ich halte große Stücke auf Sie.«
    »Wäre die
Ansprache nicht Aufgabe von Pastor Kruse?«
    »Ich habe Sie
gebeten.«
    Widerspruch war zwecklos,
also nickte ich ergeben. Bruder Kruse würde dazu mit Sicherheit wieder einen
bissigen Kommentar loslassen.
    Was hatte er mir
vor einigen Tagen auf der Straße hinterhergerufen?
    »Schwester
Gerlach, ich habe einen Mann für Sie … zum Beerdigen!«
    In diesem Fall
hätte die Bemerkung den Nagel auf den Kopf getroffen.

VIER
    Der goldene Engel
löste sich aus dem Altar und wurde größer und größer.
    Schließlich
verdeckte er die Sonne. »Ich habe den Stein vor das Grab gesetzt«, sagte er,
und seine Stimme klang wie Donnergrollen. Blitze zuckten hinter ihm.
    Der Engel färbte
sich schwarz. Er verwandelte sich in ein großes katzenhaftes Wesen. In dem
schwarzen Kopf leuchteten giftige gelbe Augen. »Ich wasche meine Hände in
Unschuld«, schrie ich, doch zu meinem Schrecken entdeckte ich, dass meine Hände
schwarz waren. »Da lachen ja die Hühner«, kicherte es aus dem
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