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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3)
Autoren: Joe Abercrombie
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keine Schwächen leisten.
    Er holte hart Luft und wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Dann humpelte er zu seinem Schreibtisch, setzte sich und sammelte sich kurz, wobei ihn ein plötzliches Zucken seines zehenlosen Fußes unterstützte. Schließlich wandte er die Aufmerksamkeit den Dokumenten zu.
Geständnisse, unerledigte Aufgaben, die ermüdenden Regierungsgeschäfte ...
    Er sah auf. Aus den Schatten hinter einem der hohen Bücherregale hatte sich eine Gestalt gelöst und trat nun vor, die Hände vor der Brust verschränkt. Der Mann mit dem verbrannten Gesicht, der mit den Offizieren hereingekommen war. In der Aufregung über ihren Abgang war er offenbar zurückgeblieben.
    »Korporal Pike, nicht wahr?«, fragte Glokta mit gerunzelter Stirn.
    »Das ist der Name, den ich angenommen habe.« »Angenommen.«
    Das vernarbte Gesicht verzog sich zu einer Parodie eines Lächelns.
Tatsächlich noch hässlicher als mein eigenes, falls das möglich ist.
»Es überrascht mich nicht, dass Sie mich nicht erkennen. Gleich in meiner ersten Woche gab es einen Unfall in der Schmiede. Unfälle gibt es oft in Angland.«
Angland? Diese Stimme ... irgendwas an dieser Stimme ...
»Klingelt immer noch nichts? Vielleicht, wenn ich ein wenig näher komme?«
    Ohne Warnung sprang er quer durchs Zimmer. Glokta kämpfte sich immer noch aus seinem Stuhl, als der Korporal bereits über den Schreibtisch hechtete. In einer Wolke aufwirbelnden Papiers fielen sie gemeinsam zu Boden. Glokta kam unter seinem Angreifer zu liegen und prallte mit dem Kopf gegen die Fliesen, während ihm der Atem in einem langen, gequälten Keuchen aus der Brust gepresst wurde.
    Er fühlte Stahl über seinen Hals fahren. Pikes Gesicht war nur noch wenige Zoll von seinem entfernt, und die verschmolzene Masse von Verbrennungen stand ihm in überaus ekelerregenden Einzelheiten direkt vor Augen.
    »Und was ist nun?«, zischte Pike. »Kommt Ihnen irgendwas bekannt vor?«
    Glokta fühlte sein linkes Auge zucken, als die Erinnerung ihn überkam wie eine Welle eiskalten Wassers.
Verändert, natürlich. Völlig und durch und durch verändert. Und dennoch erkenne ich ihn.
    »Rews«, hauchte er.
    »Genau der.« Rews spuckte die Worte mit grimmiger Entschlossenheit aus.
    »Sie haben überlebt.« Glokta flüsterte, erst vor Überraschung, dann vor wachsender Belustigung. »Sie haben überlebt! Sie sind doch wesentlich härter, als ich Ihnen zugetraut hätte! Viel, viel härter.« Er begann zu kichern, und wieder liefen ihm Tränen über die Wange.
    »Gibt es dabei was zu lachen?«
    »Alles, sozusagen! Sie müssen sich doch des Aberwitzes bewusst sein. Ich habe so viele mächtige Feinde aus dem Weg geräumt, und dann setzt mir Salem Rews eine Klinge an die Kehle! Es ist doch immer das Messer, das man nicht kommen sieht, welches am tiefsten eindringt, nicht wahr?«
    »Keins wird Sie tiefer stechen als dieses hier.«
    »Dann stechen Sie nur zu, mein Lieber, ich bin bereit.« Glokta legte den Kopf in den Nacken und drückte die Kehle nach vorn gegen das kalte Metall. »Ich bin schon seit langer Zeit bereit.«
    Rews’ Faust packte den Messergriff noch fester. Sein verbranntes Gesicht zitterte, und seine Augen verengten sich in ihren rosafarbenen Höhlen zu hellen Schlitzen.
Jetzt.
    Seine fleckigen Lippen teilten sich über den Zähnen. Die Sehnen in seinem Hals traten vor, als er sich darauf vorbereitete, zum Stich auszuholen.
Mach schon.
    Glokta atmete schnell, seine Kehle kribbelte vor Erwartung.
Jetzt endlich ... jetzt ...
    Aber Rews’ Arm bewegte sich nicht.
    »Und dennoch zögern Sie«, flüsterte Glokta durch sein leeres Zahnfleisch. »Nicht aus Gnade natürlich, und auch nicht aus Schwäche. Das hat man alles aus Ihnen herausgebrannt, nicht wahr? In Angland? Sie halten inne, weil Ihnen klar geworden ist, dass Sie in der ganzen Zeit, in der Sie davon geträumt haben, mich umzubringen, keinen Gedanken daran verschwendet haben, was danach kommt. Was haben Sie tatsächlich durch all Ihre Zähigkeit gewonnen? Durch all Ihre Listigkeit, all Ihre Anstrengungen? Wird man Sie jagen? Wird man Sie wieder nach Angland zurückschicken? Ich kann Ihnen so viel mehr anbieten.«
    Rews geschmolzenes, grimmiges Gesicht verhärtete sich nur noch mehr. »Was könnten Sie mir schon geben? Nach dem hier?«
    »Oh, das ist doch gar nichts. Ich erlebe jeden Morgen beim Aufstehen doppelt so viel Schmerz und zehnmal mehr Demütigung. Ein Mann wie Sie könnte nützlich für mich sein. Ein Mann ...
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