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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3)
Autoren: Joe Abercrombie
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Gesicht war eine einzige ausdruckslose Narbe. »Na, ist ja auch egal.« Glokta mühte sich ohne Zwischenfall hinab und humpelte dann auf eine schwere, eisenbeschlagene Holztür zu.
    »Wir sind da.« Er zog einen Bund Schlüssel aus der Tasche seines weißen Mantels, ließ sie durch die Finger gleiten, bis er den richtigen gefunden hatte, schloss die Tür auf und trat ein.
    Erzlektor Sult war nicht mehr der Mann, der er einst gewesen war.
Aber das sind wir schließlich alle nicht mehr, jedenfalls nicht ganz.
Sein prächtiger weißer Haarschopf klebte fettig an dem hageren Schädel, und auf einer Seite war er mit gelbbraunem Blut verklebt. Seine durchdringenden blauen Augen hatten ihr befehlsgewohntes Funkeln verloren, lagen tief in den Höhlen und waren von zornigem Rosa umgeben. Man hatte ihn seiner Kleider entledigt, und sein sehniger Altmännerkörper, an den Schultern ein wenig haarig, war mit dem Dreck der Zelle beschmiert. Er sah tatsächlich nicht viel anders aus als ein verrückter alter Bettler.
Kann das wirklich einmal einer der mächtigsten Männer im ganzen Weltenrund gewesen sein? Man würde nie darauf kommen. Eine heilsame Lehre für uns alle. Je höher man aufsteigt, desto tiefer kann man fallen.
    »Glokta!«, fauchte er und schlug, an den Stuhl gefesselt, hilflos um sich. »Sie verräterischer, kranker Drecksack!«
    Glokta hielt die weiß behandschuhte Hand hoch, und der purpurne Stein auf dem Ring, das Zeichen seines Amtes, funkelte im harten Lampenschein. »Ich würde sagen,
Euer Eminenz
wäre nun die angemessene Anrede.«
    »Sie?« Sult stieß ein scharfes, bellendes Lachen aus. »Erzlektor? Ein verdorrter, mitleiderregender Schatten eines Mannes wie Sie? Sie ekeln mich an!«
    »Erzählen Sie keinen Unsinn.« Glokta ließ sich mit zusammengebissenen Zähnen auf den anderen Stuhl fallen. »Ekel ist etwas für die Unschuldigen.«
    Sult starrte Pike an, der bedrohlich auf den Tisch herabsah und dessen Schatten auf das polierte Kästchen fiel, in dem Gloktas Instrumente schlummerten. »Was ist das für ein Ungeheuer?«
    »Das ist ein alter Freund von uns, Meister Sult, der erst kürzlich aus dem Krieg im Norden zurückgekehrt ist und eine neue Wirkungsstätte sucht.«
    »Meinen Glückwunsch! Ich hätte nie geglaubt, dass Sie einen Assistenten finden könnten, der sogar noch hässlicher ist als Sie!«
    »Sie sind sehr unhöflich, aber glücklicherweise sind wir nicht leicht beleidigt. Sagen wir, er ist genauso hässlich.«
Und genauso gewissenlos, wie ich hoffe.
    »Wann findet mein Prozess statt?«
    »Prozess? Wieso sollte ich Ihnen den Prozess machen wollen? Man hält Sie allgemein für tot, und ich habe keine Anstalten unternommen, das zu berichtigen.«
    »Ich verlange das Recht, vor dem Offenen Rat zu sprechen!« Sult zerrte machtlos an seinen Ketten. »Ich verlange ... verflucht sollen Sie sein! Ich verlange eine Anhörung!«
    Glokta schnaubte. »Verlangen Sie die ruhig, aber sehen Sie sich doch um. Niemand hört Ihnen zu, nicht einmal ich. Wir haben alle zu viel zu tun. Der Offene Rat ist bis auf weiteres ausgesetzt. Der Geschlossene Rat ist völlig verändert, und Sie sind vergessen. Ich habe die Führung übernommen. Und zwar so umfassend, wie Sie selbst es nicht einmal in Ihren Träumen hätten tun können.« »Unter der Knute des Teufels Bayaz!«
    »Völlig richtig. Vielleicht wird es mir beizeiten gelingen, seinen Würger ein wenig zu lockern, so wie es mir auch bei Ihnen gelang. Genug vielleicht, um dafür zu sorgen, dass die Dinge so laufen, wie ich es wünsche, wer weiß?«
    »Niemals! Sie werden nie frei von ihm sein!«
    »Abwarten.« Glokta zuckte die Achseln. »Aber es gibt auch schlimmere Schicksale, als der Oberste unter Sklaven zu sein. Viel schlimmere. Das habe ich oft genug gesehen.«
Das habe ich oft genug erlebt.
    »Sie Narr! Wir hätten frei sein können!«
    »Nein. Hätten wir nicht. Und überhaupt wird die Freiheit überschätzt. Wir haben alle unsere Verantwortlichkeiten. Wir alle schulden anderen Menschen irgendetwas. Nur die völlig Nichtswürdigen sind wirklich frei. Die Nichtswürdigen und die Toten.«
    »Was spielt das jetzt noch für eine Rolle?« Sult sah mit verzerrtem Gesicht auf den Tisch. »Was spielt überhaupt noch eine Rolle? Stellen Sie Ihre Fragen.«
    »Oh, deswegen sind wir nicht hier. Diesmal nicht. Nicht wegen Fragen, nicht wegen der Wahrheit, nicht wegen Geständnissen. Ich habe meine Antworten bereits.«
Wieso tue ich das dann? Wieso?
Glokta lehnte sich
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