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Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben

Titel: Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
Autoren: Frank Wedekind
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sein Kind brauche nunmehr sein wahres Wesen nicht länger zu verleugnen.
    KÖNIG PIETRO. So ward mein Blick getäuscht!
Zu Alma.
Deine verwegenen Aussprüche möchte ich aus eines Weibes Munde nicht noch einmal hören.
Zum König.
Laß dein Kind dir folgen!
     
    Er verläßt mit dem Prinzen das Theater.
     
     
Neuntes Bild

    Thronsaal.
    Der König in höfischer Kleidung kauert dem Thron gegenüber auf den Stufen. Sein Amt als Hofnarr ist diskret durch eine entsprechende Kopfbedeckung angedeutet; in der schlaffen Hand hält er einen kurzen Narrenstab. Er sieht auffallend gealtert aus; sein blutleeres Gesicht ist tief gefurcht, und seine Augen erscheinen doppelt größer als früher.
     
    DER KÖNIG. Sonderbar ist doch dieses Leben! Während langer Jahre unter Entbehrungen jeder Art fühlte ich die Kräfte meines Körpers täglich wachsen. Jede Morgensonne fand mich munterer an Geist, fand meine Muskeln widerstandsfähiger. Kein Mißgeschick ließ mehr Zweifel an der Unverwüstlichkeit meiner Natur in mir aufkommen. Und seit ich hier in Sorglosigkeit und Wohlsein lebe, schrumpfe ich ein wie ein Apfel im Frühling. Schrittweise fühle ich das Leben sich von mir entfernen; und die Ärzte gestehen einander unter Achselzucken und mit langen Gesichtern, daß sie den Verfall nicht begreifen. – – Sollte ich einst in diesen Hallen geherrscht haben? Täglich seit meinem Hiersein wiederhole ich mir die Frage, und täglich erscheint sie mir widersinniger. Mir wird so schwer, daran zu glauben, als wollte mir jemand einreden, ich hätte schon einmal auf einem anderen Himmelskörper gelebt, König Pietro ist der würdigste Fürst, der je einen Thron innehatte, und ich bin in all seinen Staaten der letzte, der mit ihm tauschen möchte. Das ist allabendlich mein letztes Wort, ein Wort, das mich nicht von trockener Gefängnisluft träumen läßt, sondern von triefenden, sturmgebeugten, klagend rauschenden Baumwipfeln, von endlosen düstren Heiden, von unberührtem Morgentau auf buschigem Gras und von dem wackligen Karren, der ein tollkühnes Landstreichervolk von Flecken zu Flecken schleppt und auf dessen schwanken Leitern aller Herzen mir entgegenschlugen, unschlüssig zwischen Bedauern und Ehrfurcht. – Ein eigentümlicher Krampf macht sich seit einigen Tagen in meinem linken Arm bemerkbar. Das ist nicht Gicht, das ist nicht Altersschwäche. Aber eh die hemmende Membran zerspringt, habe ich ein Werk noch zu vollenden. Laß mich's vollenden, o Schicksal, daß wir, einander dankbar, in Freundschaft scheiden! Mit all der Vorsicht, die mein Leben als einzigen Ertrag mir abgeworfen, habe ich es eingefädelt. Oder sollte ich wieder der Genarrte sein? Bedurften die stürmischen jungen Herzen meiner Hilfe gar nicht? Messe ich mir nur in eitler Selbstüberhebung das Verdienst bei, ihre Vereinigung zu fördern? Wer öffnet mir die Augen über mich?! Blind, wie ich kam, soll ich gehen?! – Ich gehe und – horche! Dann brauche ich mich doch später nicht erst auf die Antworten zu besinnen. –
Ab.
     
    König Pietro und Erbprinz Filipo treten auf.
     
    KÖNIG PIETRO. Ich ließ bei den Medici in Florenz anfragen, ob man geneigt ist, dir eine Tochter zur Frau zu geben. Eben erhalte ich die Nachricht, daß die Medici im Vertrauen auf die Festigkeit unserer Herrschaft eine solche Verbindung sehr willkommen heißen.
    FILIPO. Bevor Ihr das tatet, mein gnädiger Vater, habe ich Euch schon des allerbestimmtesten erklärt, daß ich niemand anders heiraten werde, als Donna Alma, die Tochter Alexandrions!
    KÖNIG PIETRO
aufbrausend.
Die Tochter meines Hofnarren! Du gehörst in die Werkstatt zurück, aus der du gekommen bist.
    FILIPO. Dann laßt mich in die Werkstatt zurückkehren, mein gnädiger Vater!
    KÖNIG PIETRO. Mag dieses Mädchens Tugend auch über alle Zweifel erhaben sein, die allgemeine Wohlfahrt fordert, daß du eine Fürstentochter zum Weib nimmst. Wolltest du um die Tochter eines Bürgers von Perugia freien, ich könnte darin, ohne unserer eigenen Herkunft ins Gesicht zu schlagen, gleichfalls keine deiner unwürdige Verbindung erblicken. Trotzdem wäre deine Wahl ein Verbrechen am Staatswohl, da sie Parteinahme und Gewalttätigkeiten unter den Bürgergeschlechtern zur Folge hätte. Wählst du deinem Volk aber eine Königin allerdunkelster Herkunft, dann zeigst du ihm im voraus, daß du die Pflichten des Fürsten mißachtest. Wer will berechnen, welche Erben dir aus einer solchen Verbindung erwachsen! Statt mit Vertrauen wird man
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