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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Autoren: Mark Lawrence
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Kopfschmerzen morgen früh verschwunden. Und auch die seltsamen Träume. Vielleicht hat die Vase meiner Mutter jene Träume aus mir herausgeschlagen.

1
Hochzeitstag
    Öffne das Kästchen, Jorg.
    Ich betrachtete es. Ein Kästchen aus Kupfer, mit Dornenmuster. Ohne Schloss oder Riegel.
    Öffne das Kästchen, Jorg.
    Ein Kästchen aus Kupfer. Nicht groß genug für einen Kopf. Die Faust eines Kindes könnte hineinpassen.
    Ein Kelch vielleicht, oder ein Messer.
    Ich betrachtete das Kästchen und die matten Reflexionen vom Kaminfeuer. Die Wärme erreichte mich nicht. Ich ließ das Feuer niederbrennen. Die Sonne ging unter, und Schatten stahlen das Zimmer. Die Glut hielt meinen Blick. Mitternacht kam und füllte den Flur, und noch immer rührte ich mich nicht. Wie aus Stein gehauen saß ich da, als wäre Bewegung eine Sünde. Anspannung hielt mich fest. Sie prickelte über meine Wangenknochen und sammelte sich im Kiefer. Unter meinen Fingerkuppen fühlte ich die Maserung des Tisches.
    Der Mond ging auf und warf geisterhaftes Licht auf die Steinplatten des Bodens. Es fand meinen Kelch, der Wein darin nicht angerührt, und ließ das Silber glühen. Wolken schluckten
den Himmel, und Regen fiel in der Dunkelheit, weich mit alten Erinnerungen. In den frühen Morgenstunden, von Feuer, Mond und Sternen verlassen, griff ich nach meiner Klinge und legte die scharfe Schneide kühl an mein Handgelenk.
    Das Kind lag noch immer in der Ecke, die Gliedmaßen leichenhaft krumm, zu schwer verletzt für die Pferde des Königs, oder für seine Männer. Manchmal glaube ich, mehr Geister als Menschen gesehen zu haben, aber dieser Junge, dieser Knabe von vier Jahren, verfolgt mich.
    Öffne das Kästchen .
    Die Antwort lag darin. Das wusste ich. Der Junge wollte, dass ich das Kästchen öffnete. Mehr als die Hälfte von mir wollte es ebenfalls, damit die Erinnerungen herausströmten, wie dunkel und gefährlich sie auch sein mochten. Eine gewisse Verlockung ging davon aus, wie vom Rand einer Klippe. Mit jedem verstreichenden Moment wurde sie größer, versprach Befreiung.
    »Nein.« Ich drehte meinen Stuhl dem Fenster zu, und dem Regen, der in Schnee überging.
    Das Kästchen habe ich aus einer Wüste mitgebracht, die einen ohne die Hilfe der Sonne verbrennen konnte. Seit vier Jahren befindet es sich in meinem Besitz. Ich erinnere mich nicht daran, wie ich es bekam und wem es gehörte. Nur wenig war mir darüber bekannt, abgesehen davon, dass darin eine Hölle steckt, die mich fast um den Verstand brachte.
    Das Licht von Lagerfeuern flackerte durch den Schneeregen, so viele, dass ihr Schein die Konturen des Landes verriet, das Auf und Ab der Berge. In drei Tälern hatten sich die Männer des Fürsten von Pfeil niedergelassen. Eins allein hätte seinem Heer nicht genug Platz geboten. Drei Täler steckten voller Ritter, Bogenschützen, Fußsoldaten, Pikenieren, Axt- und Schwertkämpfern, Karren, Wagen, Belagerungsmaschinen,
Leitern, Seilen und Pech, um Häuser und Menschen in Flammen aufgehen zu lassen. Und dort draußen, in einem blauen Pavillon, befand sich Katherine Ap Scorron mit ihren Vierhundert, verloren in der Menge.
    Wenigstens hasste sie mich. Ich möchte lieber von jemandem getötet werden, der mich umbringen will, dem es etwas bedeutet.
    In einem Tag würde uns die Streitmacht umzingelt und die letzten Fluchtwege durch die Täler und Bergpässe im Osten abgeschnitten haben. Dann würden wir sehen. Seit vier Jahren war die Spukburg mein, seit ich sie von meinem Onkel übernahm. Vier Jahre als König von Renar. Ich wollte sie nicht einfach so aufgeben. Nein. Nein, es würde schwer werden, und nicht nur für mich.
    Der Knabe stand jetzt rechts von mir, blutleer und stumm. Es steckte kein Licht in ihm, aber ich konnte ihn immer im Dunkeln sehen. Selbst durch die Lider. Er beobachtete mich mit Augen, die wie meine aussahen.
    Ich nahm die Klinge vom Handgelenk und klopfte mit ihrer Spitze an meine Zähne. »Lass sie kommen«, sagte ich. »Es wird eine Erleichterung sein.«
    Das stimmte.
    Ich stand auf und streckte mich. »Bleib und geh, Geist. Ich schlafe jetzt.«
    Das war gelogen.
     
    Die Bediensteten kamen im Morgengrauen, und ich ließ mich von ihnen ankleiden. Es scheint dumm zu sein, aber offenbar muss man als König gewisse Erwartungen erfüllen. Das gilt auch für Könige, die eine Krone aus Kupfer tragen, nur eine kleine, hässliche Burg haben und deren Land, auf dem
mehr Ziegen als Menschen leben, fast überall ungebührend steil
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