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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Autoren: Mark Lawrence
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umzingelt.«
    »Wie weit entfernt sind sie?«, fragte Miana.
    »Drei Meilen trennen uns von ihren vordersten Linien«, sagte ich.
    »Du solltest jetzt angreifen«, erwiderte meine Braut. »Bevor sie uns umzingeln.«
    »Ich weiß.« Das Mädchen begann mir zu gefallen. Selbst ein erfahrener Soldat wie Coddin, ein guter Soldat, wollte sich hinter den Mauern der Burg verschanzen und es vor allem ihnen überlassen, den Feind abzuwehren. Aber keine Burg kann einer solchen Übermacht standhalten. Miana wusste, was der Rote Kent wusste, der Rote Kent, der an einem heißen Morgen im August die siebzehn Soldaten einer Patrouille getötet hatte. Das Töten braucht Platz. Man muss sich bewegen. Man muss vorrücken und zurückweichen, und manchmal muss man einfach wegrennen.
    Ich winkte noch ein letztes Mal, kehrte der Menge dann den Rücken und trat in die Kapelle.
    »Makin! Ist die Wache bereit?«
    »Das ist sie.« Er nickte. »Mein König.«
    Ich zog mein Schwert.
    Das plötzliche Erscheinen von ein Meter zwanzig langem, rasiermesserscharfem Erbauer-Stahl im Hause Gottes führte dazu, dass zahlreiche Leute nach Luft schnappten. Es klang gut.
    »Gehen wir.«

Aus dem Tagebuch von Katherine Ap Scorron
    6. Oktober, Jahr 98 Interregnum
    Ankrath. Die Hohe Burg. Kapelle. Mitternacht.
     
    Die Kapelle der Ankraths ist klein und zugig, als hätten sie nicht viel Zeit für diesen Ort. Die Kerzenflammen tanzen, und die Schatten bleiben nie unbewegt. Wenn ich gehe, wird der Junge des Friars die Kerzen löschen.
    Jorg Ankrath ist seit fast einer Woche fort. Er hat Sir Makin aus dem Kerker mitgenommen. Das hat mich gefreut, denn ich mochte Sir Makin und kann ihm eigentlich nicht zur Last legen, was mit Galen geschah – auch dafür war Jorg verantwortlich. Eine Armbrust! Mit einer Klinge hätte er Galen nicht besiegt. Es steckt keine Ehre in dem Jungen.
    Von Friar Glen weiß ich, dass Jorg mir nach dem Schlag mit der Vase fast das Gewand vom Leib gerissen hat. Ich bewahre es ganz hinten im langen Schrank auf, in der Brauttruhe, die meine Mutter für mich packte, bevor wir Scorron-Ruh verließen. Es liegt dort, wo die Zofen nicht nachsehen, und meine Hände zeigen mir den Weg. Ich lasse die Fetzen durch die Finger gleiten. Blauer Satin. Ich berühre ihn und versuche, mich zu erinnern. Dort steht er, mit ausgebreiteten Armen, das Messer in meiner Hand verspottend. Er schwankt, als könnte er sich kaum mehr auf den Beinen halten, das Gesicht bleich, mit einem großen dunklen Fleck, der die Brustwunde umgibt. Er sah so jung aus. Ein Kind, oder wenig mehr. Mit all den Narben dort, wo ihm Dornen die Haut aufgerissen hatten. Sir Reilly erzählte, dass er ihn im Dorngestrüpp gefunden hat, fast blutleer nach einer stürmischen Nacht, und mit seiner Mutter tot in der Nähe.
    Und dann schlug er mich.
    Ich berühre jetzt die Stelle. Sie ist noch immer wund; Schorf bildet einen kleinen Buckel. Ich frage mich, ob man die Stelle durch mein Haar sehen kann. Und dann überlege ich, warum ich mich darum scheren sollte.
    Hier unten gibt es weitere wunde Stellen. Dunkel wie der Fleck, der die Brustwunde umgab. Ich glaube fast, die Umrisse der Finger an meinem Oberschenkel zu sehen, den Abdruck eines Daumens. Er schlug mich, fiel dann über mich her und vergewaltigte mich. Es kann ihm, dem Söldner von der Straße, nicht viel bedeutet haben. Nein, es kann nicht viel für ihn gewesen sein, nur jemand anders, den er missbrauchte. Ein kleines Verbrechen neben all seinen großen. Und vielleicht nicht einmal das größte Verbrechen mir gegenüber, denn ich vermisse Hanna und habe geweint, als wir sie der Erde übergaben. Und ich vermisse Galen, die Grimmigkeit seines Lächelns, und die Wärme, die er mir gab, wenn er in meine Nähe kam.
    Er schlug mich und missbrauchte mich dann? Der kranke Junge, der das Messer herausforderte und sich kaum auf den Beinen halten konnte?
     
    11. Oktober, Jahr 98 Interregnum
    Ankrath. Die Hohe Burg. Meine Gemächer.
     
    Heute habe ich Friar Glen im Blauen Saal gesehen. Ich gehe nicht mehr zu seinen Gottesdiensten, aber ich habe ihn im Saal gesehen und seine Hände beobachtet, seine dicken Daumen. Ich habe an die Flecken gedacht, die jetzt nicht mehr dunkel sind, sondern gelb, und ich bin zum langen Schrank gegangen, mit dem zerrissenen Satin in meinen Händen.

    Bruder Gog besteht aus Haut, Knochen und Unheil.
Als Monstrum geboren und als Monstrum aufgewachsen,
doch nur wenig unterscheidet ihn von Adam, abgesehen von
der Haut
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