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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Autoren: Mark Lawrence
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Verbindung.
    Die Tür führt zu einer Treppe, von der aus man auf den größten Hof der Burg hinabblickt, jenen Ort, wo ich den früheren Burgherrn erledigt habe. Mehrere Hundert standen dort unten, von der Ringmauer bis zu den Treppenstufen, und jenseits des Tors noch mehr, dicht gedrängt unter dem Fallgatter. Schneeflocken fielen auf sie alle.
    Jubel ertönte, als wir ins Licht traten. Da nahm ich Mianas Hand, trotz der in meinen Fingerkuppen lauernden Nekromantie, und hob sie hoch, um die Menge damit zu grüßen. Die Loyalität des Untertanen dem Herrn gegenüber erstaunte mich noch immer. Ich lebte Jahr für Jahr in Saus und Braus von diesen Leuten, während sie an den Berghängen ein karges Dasein fristeten. Und jetzt waren sie bereit, mit mir in einen ziemlich sicheren Tod zu gehen. Ich meine, selbst der blinde Glaube in meine Fähigkeit, den Wahrscheinlichkeiten immer wieder ein Schnippchen zu schlagen, musste reichlich Platz für Zweifel lassen. Den ersten richtigen Einblick in diese Sache gewann ich vor ein paar Jahren. Es war eine Lektion, die das Leben auf der Straße weder mich noch meine Brüder gelehrt hatte. Die Macht des Ortes.
    Meine königliche Präsenz war für ein bisschen Rechtsprechen erforderlich gewesen, und zwar an einem Ort, den man im Hochland von Renar als »Dorf« bezeichnet, obwohl man überall sonst von drei Häusern und ein paar Schuppen gesprochen hätte. Dieses »Dorf« befindet sich hoch oben in den Bergen, nicht weit von den Gipfeln entfernt, und es heißt Gutting. Wie ich hörte, gibt es auch ein Klein-Gutting, weiter oben im Tal, obwohl es nicht viel mehr sein kann als ein großes Fass. Jedenfalls, bei dem Streit ging es darum, wo die Steine eines armen Bauern endeten und die des anderen begannen. Ich erkletterte mit Makin tausend Höhenmeter, um zu zeigen, dass ich meine Pflichten als König ernst nahm. Nach den Berichten waren der Fehde bereits mehrere Männer des Dorfes zum Opfer gefallen, aber bei genauerem Hinsehen beschränkten sich die Verluste auf ein Schwein und das linke Ohr einer Frau. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich einfach alle getötet und wäre mit ihren aufgespießten Köpfen zurückgekehrt, aber vielleicht war ich nach dem langen Aufstieg müde. Ich gab den schäbigen Bauern Gelegenheit, ihre Standpunkte vorzutragen, was sie auch taten, lange und mit ziemlich vielen Worten. Es wurde dunkel, und die Flöhe bissen, und deshalb machte ich es kurz.
    »Gebbin, nicht wahr?«, wandte ich mich an den Kläger. Er nickte. »Im Grunde genommen, Gebbin, kannst du diesen Burschen hier einfach nicht ausstehen, und das Warum bleibt mir schleierhaft. Die Sache ist, ich langweile mich und bin wieder zu Atem gekommen, und wenn du mir nicht den wahren Grund nennst, warum du diesen Mann …«
    »Borron«, warf Makin ein.
    »Ja, Borron. Sei ehrlich und nenn mir den wahren Grund, warum du Borron hasst, oder ich verurteile euch alle zum Tod, mit Ausnahme der Frau mit dem einen Ohr, die sich nach
Vollstreckung der Strafe um das eine übriggebliebene Schwein kümmern kann.«
    Es dauerte einige Sekunden, bis Gebbin begriff, dass ich es ernst meinte. Einige weitere Momente nuschelte er vor sich hin, bis er schließlich damit herauskam und zugab, dass er Borron hasste, weil er ein »Fämda« war. Fämda , so stellte sich heraus, bedeutete Fremder, und der alte Borron galt als Fremder, weil er auf der Ostseite des Tals geboren war und dort einen großen Teil seines Lebens verbracht hatte.
    Die Soldaten jubelten Miana und mir zu, winkten mit ihren Schwertern, schlugen sie an die Schilde und schrien sich heiser. Auf eine Frage hin hätten sie wahrscheinlich gesagt, wie stolz sie seien, für Seine Hoheit und die neue Königin zu kämpfen. In Wirklichkeit aber lief es auf dies hinaus: Sie wollten einfach nicht, dass die Männer von Pfeil über ihre Steine hinwegstapften, ihre Ziegen beäugten und ihren Frauen anzügliche Blicke zuwarfen.
    »Der Fürst von Pfeil hat ein viel größeres Heer als du«, sagte Miana. Kein »Euer Hoheit«, kein »Herr«.
    »Ja, das hat er.« Ich winkte weiterhin der Menge zu, mit einem großen Lächeln in meinem Gesicht.
    »Er wird siegen, nicht wahr?«, fragte Miana. Sie sah wie zwölf aus, klang aber nicht so.
    »Wie alt bist du?« Ich warf ihr, während des Winkens, einen kurzen Blick zu.
    »Zwölf.«
    Verdammt.
    »Er könnte siegen. Wenn nicht jeder meiner Männer mindestens zwanzig Gegner tötet, könnte es darauf hinauslaufen. Vor allem, wenn er uns
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