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Kölner Kreuzigung

Kölner Kreuzigung

Titel: Kölner Kreuzigung
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wollten sie sich noch einmal voneinander verabschieden. Das aber war ihnen nicht mehr vergönnt gewesen. Er hatte es ihnen nicht mehr vergönnt. Mit zwei kurzen und konsequenten Bewegungen seines Fingers hatte er über ihr Leben und ihren Tod entschieden. Nun beugte er sich vor und blickte in das, was einmal ihre Gesichter waren. Von ihrer Schönheit war nichts mehr zu erkennen. Die Waffe, die Gewalt und der Tod hatten sie buchstäblich zerfetzt. Er fühlte sich gut. Leicht und mächtig, euphorisch und frei von Skrupeln oder Gewissensbissen. Alles war einfacher gewesen, als er gedacht hatte. Jetzt würde er seine Sachen zusammenpacken, mögliche Spuren verwischen und in sein Leben zurückkehren. Einfach so.
     
    »Darum geht’s!« Museumsdirektor Anton Malven schob den beiden Detektiven Marius Sandmann und Gunter Brock ein Foto über den Schreibtisch. Sein schwarzer Sakkoärmel verschmolz mit dem schwarzen Schreibtisch, sodass Sandmann an eine Pantomime dachte, eine Hand ohne Arm, die ein Foto vor sich herschob. Der Detektiv beugte sich nach vorne, schob die schwarze Brille zurecht und schaute auf einen neun mal neun Zentimeter großen, leicht vergilbten Fotoabzug. Das Bild zeigte ein Arbeitszimmer, ein fast schon antiker schwerer Schreibtisch mit einigen Schubfächern, die durch einen Berg von verpackten Geschenken in den unterschiedlichsten Farben verdeckt wurden. Zwischen den Geschenken konnte Marius einen alten Tischkalender erkennen, dessen Zeit sich von Hand einstellen ließ. Sein Großvater hatte so etwas Ähnliches besessen. Das Bild musste einige Jahrzehnte alt sein.
    »Der Abzug muss irgendwann in den 70er-Jahren gemacht worden sein. Das Fotopapier gibt es heute nicht mehr, und wenn Sie zwischen den Paketen auf den halb verdeckten Tischkalender schauen, sehen Sie das Datum, an dem das Bild aufgenommen wurde: am 3. Januar 1970.« Direktor Malven reichte den beiden Männern eine würfelförmige Lupe, Brock nahm sie und das Bild vom Tisch und betrachtete die Vergrößerung, ohne eine Regung zu zeigen. Er musste es sich kurz vor die Nase halten, um die Jahreszahl auf dem Kalender lesen zu können. Dann legte er beides zurück auf den Schreibtisch.
    »Da hat wohl jemand seine Weihnachtspost nicht geöffnet.«
    Marius betrachtete das Datum nun seinerseits durch die Lupe. Aber er war genauso ratlos wie sein Chef.
    »Was genau sollen wir tun?« Brock zeigte auf das Foto. »Möchten Sie, dass wir für Sie ein paar alte Weihnachtsgeschenke wiederfinden, oder was?« Die braunen Haare seines Schnauzers hoben sich leicht, als Brock das sagte.
    Nein, Gunter Brock war nicht der Geduldigste und nicht der Diplomatischste, dachte Marius bei sich und hoffte, sein Chef würde sich im weiteren Verlauf des Gesprächs zurückhalten. Er schaute hinüber zu Malven, der leicht zurückgelehnt in seinem schwarzen Ledersessel saß und die Fingerkuppen seiner schlanken Hände vor dem schwarzen Hemd bedächtig aneinandertippte.
    »Es geht um das Gemälde im Hintergrund.« Mit dem Zeigefinger deutete er auf ein kleines Bild an der Wand hinter dem Schreibtisch. Sandmann hatte sich auf den Vordergrund konzentriert, als er das Foto angeschaut hatte. Jetzt nahm er es erneut in die Hand und betrachtete es eingehender. Um das Gemälde, das in der Mitte über dem Schreibtisch hing, genauer sehen zu können, griff er nach der Lupe. Er ärgerte sich über sich selbst. Als Privatdetektiv und als – freilich gescheiterter – Kunsthistoriker hätte er genauer hinsehen müssen, auch wenn das Bild auf den ersten Blick unscheinbar wirkte, ein Gemälde von geschätzten 20 mal 25 Zentimetern in einem schlichten schwarzen Holzrahmen, das auf einem Goldgrund die Kreuzigung Christi zeigte. Der Körper setzte sich in seinem fast makellosen Weiß stark von dem Schwarz des Kreuzes ab. Deutlich hervorgehobene und vergrößerte Blutflecken an Stirn, Händen und Füßen sowie über dem Herzen leuchteten selbst auf diesem verblassten alten Farbfoto in einem kräftigen Rot. Rechts und links des Kreuzes knieten ein Mann und eine Frau in spätmittelalterlicher Tracht. Die Frau trug eine Art Umhang, sie hatte die Hände gefaltet, in denen sie eine Blume hielt. Marius identifizierte sie als Lilie. Der Mann auf der anderen Seite des Kreuzes trug das dunkle Gewand eines Kaufmanns mit einem prächtigen Pelzkragen, aber ohne Kopfbedeckung. Mit seinen gefalteten Händen umklammerte er einen Schlüssel.
    »Die Kreuzigung Christi. An seiner Seite Maria mit der Lilie und
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