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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Urlaub mache. Es ist die einzige Zeit, wo ich auf dem Gut wenig tun kann.« Leo sah Wanda fragend an. »Wie sieht sie aus? Hat sie sich verändert?«
    »Ja …«
    »Wie denn?«
    »Sie ist noch schöner geworden. In diesem Jahr wird sie neunzehn.« Reichert betrachtete seine Meerschaumpfeife. »Der letzte Hauch von Kindlichkeit ist verflogen. Sie ist eine Frau geworden.«
    »Das brauchte nicht gesagt zu werden!« knurrte Reichert.
    »Sie hat richtige Hüften und Brüste bekommen«, sagte Wanda. »Wundervoll.«
    »Das übersieht Leo bestimmt nicht.«
    »Wann kann ich sie sehen?«
    »In zwei Stunden. Die Fürstin hat noch Gäste. Sophie muß in der Küche bleiben, bis nichts mehr gewünscht wird. Sie hat heute Spätdienst.« Wanda rollte ihr weiches Juchtenleder zusammen. »Willst du einen Grog, Leo?«
    »Der täte gut.« Kochlowsky setzte sich an den Tisch. Er fühlte sich glücklich, auch wenn er heimlich, wie ein Gejagter, hierhergekommen war. Hier war Pleß, hier war er zu Hause, das war ein Stück Heimat geworden, hier gehörte er hin. »Viel Rum und wenig Wasser, Wanda, du Kräuteraas!«
    Erst spät, gegen Mitternacht, kam Sophie aus der Küche. Mit einem hellen Aufschrei sank sie Leo in die Arme.
    Die Welt war wieder vollkommen.
    Es geschah drei Tage später, in der Dunkelheit, und nur Leo Kochlowsky war dabei.
    Jakob Reichert war mit dem Fürsten noch nicht von einem Besuch beim Baron von Puttkammer zurückgekehrt, Wanda hatte Küchendienst, denn die Fürstin hatte jetzt jeden Abend Besuch und mußte sich um die Damen kümmern, während die Herren in den Wäldern um Pleß auf die Jagd gingen. Sophie hatte man ihren freien Tag gegeben. Sie saß bei Leo in der Remisenwohnung auf dem Sofa, stickte an einer Tischdecke, und beide waren zufrieden, daß sie nebeneinandersitzen durften.
    Erst am Abend wagten sie sich hinaus, schlichen sich in den verlassenen Schloßpark, suchten sich eine Ecke in der Orangerie, im gut geheizten Gewächshaus, und küßten sich hinter Rosenhecken und tropischen Riesenpflanzen, die hier gezogen wurden.
    An diesem 23. Februar 1889 aber hatte Leo Kochlowsky eine bejubelte Idee: Schlittschuhlaufen auf dem Teich hinter dem Verwalterhaus von Gut III. Er kannte diesen Teich genau, er war nur mannstief und daher der erste, der zufror und sicher war.
    Gleich nach Einbruch der Dunkelheit schirrte Leo Kochlowsky Reicherts kleinen Privatschlitten an und fuhr mit Sophie zum Gut. Sie kamen von der Feldseite her an den Teich, stellten den Schlitten ab, banden das Pferd an, nachdem sie ihm eine Decke übergeworfen hatten, und blickten hinüber zum Verwalterhaus. Hinter den vorgezogenen Übergardinen schimmerte schwaches Licht. Kochlowskys Wangenknochen mahlten.
    »Du möchtest gern wieder zurück?« fragte Sophie leise und lehnte sich an ihn.
    »Das ist vorbei!«
    »Wenn wir wegziehen, dann weit weg von hier, nicht wahr?«
    »Ja. Weit weg, Sophie.« Er zog seine Schlittschuhe an, ging auf das Eis und prüfte es. Es war gut, es klang massiv unter den Stahlkufen … Man kann die Sicherheit hören, sagte Kochlowsky einmal. Er fuhr ein paar Bögen, kam zu Sophie zurück und half ihr, die Schlittschuhe unter die Stiefelchen zu schnallen. Dann faßten sie sich an den Händen, glitten auf das Eis und lachten.
    »In der Stadt spielt eine Musikkapelle an der Eisbahn!« rief sie übermütig. »Da kann man Walzer tanzen …«
    »Wer sagt, daß wir keine Musik haben?« Leo legte die Arme um Sophie zum Walzertanz. »Madame Kochlowsky wünschen einen Walzer? Er wird sofort gesungen!«
    »Du kannst singen, Leo?«
    »Für den Hausgebrauch. Und ich kenne auch nur einen Walzer: Rosen aus dem Süden. Madame, Ihr Tanz …«
    Und dann sang Leo Kochlowsky. Er hatte eine angenehme baritonale Stimme, er kannte sogar den Walzertext bis zur Mitte, dann sang er lalalala und humdada-humdada und konnte wirklich einen Walzer auf dem Eis tanzen und Sophie sicher führen.
    Bei der sechsten Runde um den Teich geschah es dann. Ausgerechnet in der Mitte, nicht am Rand, knackte es laut, Sophie verlor den Halt, stürzte Leo aus den Händen und fiel hin. Unter ihr zerbrach das Eis wie splitterndes Glas, es riß immer weiter, in unwahrscheinlicher Schnelligkeit. Die Eisdecke verlor ihre Festigkeit, brach überall ein und ließ das Wasser hervorquellen.
    Sophie war durch die splitternde Decke gebrochen und hing bis zur Taille im eiskalten Wasser. Sie strampelte, klammerte sich an den Eisrändern fest und versuchte, sich wieder hochzuziehen.
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