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KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition)
Autoren: David Schalko
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Abend. Ahnte sie etwas? Jennifer griff in die Handtasche.
    - Keine Angst, kein Bunga Bunga.
    Sie holte ein Briefchen hervor und begann das Kokain auf der Tschaikowskyhülle auszustreuen. Jakob sah sich um. Vielleicht sollte er ein Pannendreieck aufstellen. Ein Auto, das um diese Zeit am Pannenstreifen hielt, konnte man nicht ignorieren. In Jakobs Tasche vibrierte das Telefon.
    - Sag deinen Freunden, wir sind in dreißig Minuten da.
    - Es sind auch deine Freunde, antwortete Jakob, der das Vibrieren ignorierte.
    Jennifer hatte zwei lange Lines gelegt. Sie zog als Erste, dann reichte sie ihm die Hülle und den eingerollten Geldschein. Jennifer hörte seit Monaten ausschließlich Klassik. Sie sagte, ohne Tschaikowsky habe sie das Gefühl, die Welt sei falsch besetzt. Als Casting-Direktorin fragte sie sich ständig, ob ein Richter ein Richter, ein Polizist ein Polizist oder eine Supermarktkassiererin eine Supermarktkassiererin war. Die meisten totale Fehlbesetzungen, völlig unglaubwürdig.
    - Nein, Rita ist natürlich die perfekte Besetzung: die makellose Frau, die völlig unangestrengt ihr Leben bewältigt.
    Kein Gramm Fett an ihrem 171 cm großen Körper, kein ungestalteter Winkel in der 180 Quadratmeter großen Dachgeschoßwohnung, kein Problem, das nicht mit ihrem Lächeln lösbar wäre. Wahrscheinlich könne sie auch ihre Orgasmen mühelos steuern. Man frage sich, wie Jakob jemals auf die Idee kommen konnte, diese perfekte Frau zu verlassen. Und Lutz, selbst Lutz war auf seine Weise Idealbesetzung. Als Zahnarzt. Sonst schwierig zu besetzen, weil zu markanter Typ. Kein Hauptdarsteller. Zu wenige Facetten. Zu steril. Dieser stechende Blick. Sein übertrieben gepflegter Bart. Diese wächserne Haut. Ob Jakob das je aufgefallen sei?
    - Achtung, stark.
    Jakob nickte und zog das Kokain in die Nase. Es brannte, und das Lidocain betäubte zuerst sein Zahnfleisch und dann seine Speiseröhre. Jennifer spürte, wie sich die Türen öffneten, wie alles, was sie im verbotenen Zimmer versteckt hielt, verwundert aufsah und Richtung Ausgang lief.
    - Wollen wir es nochmal spielen?
    Jakob schüttelte den Kopf. Er warf den Blinker an und fuhr bis zum Penthaus von Rita und Lutz, ohne von der rechten Spur zu wechseln. Er hatte es aufgegeben, Jennifer aus dem Auto zu heben oder ihr dabei zu helfen, den Rollstuhl auszuklappen. Sie legte größten Wert auf ihre Eigenständigkeit. Die Sonderanfertigung hatte zehntausend Euro gekostet. Jakob stand rauchend im Wind und suchte das Fenster ihrer Wohnung. Er überlegte, ob es der 20. oder der 22. Stock war.
    - Sie wird das blaue Kleid tragen, sagte Jennifer und ließ sich in den Rollstuhl fallen.
    - Warum sollte sie? fragte Jakob.
    Er war sich jetzt ziemlich sicher, dass es der 20. Stock war. Jennifer sagte, dass Jakob von Frauen nichts verstehe. Wie viel er damals für dieses Kleid abgelegt habe? Für Jennifer habe er noch nie so viel ausgegeben. Aber sie lege auch keinen Wert darauf, sagte sie, schließlich sei es in ihrem Fall vergebene Liebesmüh. Ein gutes Kleid wirke in erster Linie durch den Schnitt, und der könne sich bei einem Sitzmonster ohnehin nicht entfalten. Jakob sagte nichts. Er hatte aufgehört, auf ihr Selbstmitleid zu reagieren. Stattdessen versuchte er sich an den Sex mit Rita zu erinnern. Ihm fiel aber nur noch ein, dass sie ihren Kaffee ohne Zucker trank, dass sie oft vergaß, das Nudelwasser zu salzen, und dass es sie aufregte, wenn man die Butter in der Verpackung ließ.
    Jennifer nahm seine Hand. Sie hasste es zwar, geschoben zu werden, aber jetzt ließ es ihn besser aussehen als er war. Und er sollte neben ihr besser aussehen als neben Rita. Jakob drückte den Liftknopf, 20. Stock, und Jennifer sagte, dass nur Affen ganz oben wohnten. Als sich die Tür öffnete, lächelte sie übertrieben. Rita hatte das blaue Kleid nicht angezogen.
    - Gelb ist deine Farbe.
    - Danke, aber ist nur H&M.
    - Max schläft schon?
    - Ja, das Reh schläft.
    Wenn Rita verlegen war, umklammerte sie ihre Hände und rieb ihre Knie aneinander.
    - Rehe dürfen von Fremden nicht berührt werden. Sonst werden sie von ihrer Mutter verstoßen, lachte sie.
    Jennifer entgegnete, dass sie doch keine Fremden seien. Ritas Knie rieben schneller, und Jennifer sagte, der Ausblick sei wunderbar.
    Rita wollte Jennifer den Rucksack abnehmen, doch diese zog ihn an sich.
    - Den gebe ich nie aus der Hand. Sonst gibt’s ein Unglück.
    Rita verstand nicht, verkniff sich aber ein:
Pink ist deine Farbe
.
    Lutz sezierte
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